Tatort
Der Schwarzwald-"Tatort" spielt mit Tradition und dunkler Vergangenheit

21.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:48 Uhr
Die Schuttige haben sich Romy (Darja Mahotkin) als Opfer ausgeguckt, die sich fragt, warum ihr Freund ihr nicht hilft. −Foto: Linder/SWR

Freiburg - In der fünften Jahreszeit kann es schon mal unverblümter zur Sache gehen - egal, ob man sie nun Fasching, Karneval oder wie im Schwarzwald Fastnacht nennt. Dem bunten Treiben geben sich in letzterer Region auch die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) hin. Dabei legen die beiden sonst eher phlegmatisch Veranlagten zwar nicht alle Hemmungen, aber alle Hüllen ab. Ein unerhörter Vorgang! Nicht der einzige in diesem "Tatort" mit dem poetischen Titel "Ich hab im Traum geweinet".

 

Dass die zwei Hauptermittler sturzbetrunken übereinander herkugeln und dabei den Blick auf manches freigeben, was man unter ästhetischen Gesichtspunkten gar nicht so genau sehen mag, hat's in 50 Jahren "Tatort"-Geschichte so noch nie gegeben. Und dass der Herr Hauptkommissar seinen massigen Körper schon kurz darauf ins Puff schiebt, um eine Runde nachzulegen, ist ebenfalls ein Novum. Gerne frönt auch ein Doktor-Krankenschwester-Paar ausgiebig der körperlichen Liebe. Die Dame namens Romy (Darja Mahotkin) hat eine Vergangenheit als Prostituierte und begegnet am neuen Arbeitsplatz, einer Schönheitsklinik, einem Ex-Kunden. Der liefert dort seine Gattin zur Restaurierung ab, die Beziehung zu Romy will er abends auffrischen. Sie besucht ihn im Hotelzimmer, dort wird er später erschlagen aufgefunden, was in der zweiten Filmhälfte endlich den Kriminalfall in Gang bringt.
Als Krimi können wir diese 90 Minuten getrost vergessen, hier dreht sich alles um Sex und Suff - zumindest vordergründig. Kaum eine Minute vergeht, in der nicht irgendwer irgendwen befummelt. Viel nackte Haut zeigt Regisseur Jan Bonny. Direkt, hart, schnörkellos, ohne Weichzeichner oder die üblichen Hell-Dunkel-Farbspiele. Kurz: ohne jegliche Erotik. Denn um Fleischbeschau geht's ja eigentlich nicht, sondern vielmehr um die ganz großen, dramatischen Gefühle: um unerfüllte Sehnsucht nach Liebe, um Einsamkeit und Eifersucht, um Lebensträume und Verlustängste.
Cineastisch-überdrehte Kritiker mögen dies als Filmkunst feiern. Genauso gut darf man es aber auch als simple Provokation werten, mit der im "Tatort" mal wieder ein schlagzeilenträchtiges Skandälchen produziert werden kann. Eine Prognose sei gewagt: Die vorzeitige Ausschalt-Quote wird am Sonntagabend hoch sein.

DK


Der "Tatort" läuft am Sonntag, 23. Februar, um 20.15 Uhr in der ARD.

Roland Holzapfel