Dresden
Falsche Liebesversprechen

Undercover-Einsatz im Dresden-"Tatort" - Abschied von Alwara Höfels

18.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:17 Uhr
1. Mai: Soviel „Tatort“ wie noch nie an einem Tag. −Foto: Tobias Hase

Dresden (DK) "Eigentlich wollte ich nie was anderes machen, aber ich kann nicht mehr", sagt Henni Sieland im "Tatort: Wer jetzt allein ist" ganz am Ende.

Ein unspektakulärer Abgang für die Kommissarin, einer, der zu ihr passt: Privat hat's nicht funktioniert, schwanger ist sie, aber ohne Mann. Beruflich hat sie sich abgearbeitet an ihrem konservativen Chef Schnabel.

Zuvor muss sie gemeinsam mit ihm und Kollegin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) den Mord an "Birdy" aufklären, die auf dem Portal "Love Tender" erst zum virtuellen Objekt der Begierde und dann zur realen Gejagten wurde. Die heißt bürgerlich Doro Meisner und wird auf dem Parkplatz vor einer Diskothek brutal erwürgt. Es gibt eine Ohrenzeugin, denn sie telefonierte mit Freundin Laura. Zuerst vermuten die Kommissarinnen einen Racheakt der "Vogeljäger", einer Gruppe von Männern, die von "Birdy" mit falschen Liebesversprechen um viel Geld betrogen wurden.

Doch Doro hatte sich längst von dem Portal verabschiedet, der Betreiber ihre Fotos für ein falsches Profil genutzt, um Kunden abzuzocken. Unter den Vogeljägern gibt es zwei Tatverdächtige: Petrick Wenzel, der seine kranke Mutter pflegt und auf die große Liebe hofft. Und der junge, attraktive Unternehmer Andreas Koch.

Die Ermittlerinnen starten - gegen Schnabels ausdrücklichen Willen - einen Undercover-Einsatz. So tauchen Henni als "Kinky" und Karin als "Star" in die Welt des Online-Datings ein. Als die beiden Hauptverdächtigen den Köder schlucken, wird es für Henni brenzlig, weil der verhärmt-verklemmte Petrick (beängstigend gut: Alexsandar Jovanovic) sie beim Herumschnüffeln in seiner Wohnung erwischt, und für Karin prickelnd. Denn die fühlt sich zu Koch hingezogen, ist hin- und hergerissen zwischen Verdacht und Verliebtheit, nach der sie sich sehnt, zumal ihr pubertierender Sohn Aaron zu Hause nur Ärger macht. Für den steht ein Babysitter der besonderen Art zur Verfügung: Schnabel (Martin Brambach) bändigt den Jüngling mit List und Tücke.

Erol Yesilkaya, der Mann für besondere "Tatort"-Krimis ("Meta", "Die Wahrheit") hat das Drehbuch geschrieben. Es geht ihm weniger um Gefahren und Risiken des Online-Datings, er beschäftigt sich mehr mit den Risiken und Gefahren, sich zu einem potentiellen Mörder hingezogen zu fühlen. Die Nähe und die Faszination, mit der Karin Gorniak zu kämpfen hat, das Nicht-Widerstehen-Können in einem Moment, das Spüren der beruflichen Verantwortung im nächsten - diesen Konflikt rückt der Krimi in den Mittelpunkt. Und er zeigt den schmalen Grat zwischen Spiel und existentieller Bedrohung, wenn die Welten irgendwann nicht mehr klar getrennt sind und zu einer neuen Realität werden. Der Täter steht nach rund siebzig Minuten fest, doch Theresa von Eltz legt bei ihrem ersten "Tatort" ein spannend inszeniertes Finale hin.

Der sechste Fall aus Dresden ist zugleich der letzte für Alwara Höfels als Henni Sieland. Die Schauspielerin verlässt wegen "unterschiedlicher Auffassungen zum Arbeitsprozess und fehlendem künstlerischen Konsens" das renommierte Krimiformat. Ihre Nachfolgerin steht bereits fest: Cornelia Gröschel stößt neu zum Team.

"Tatort: Wer jetzt allein ist" läuft am Montag um 20.15 Uhr in der ARD.

Volker Bergmeister