Ingolstadt
Vielfalt als Erfolgsrezept

Gespräch mit Festivalleitern Walter Haber und Johannes Langer über die 34. Ingolstädter Kabaretttage

14.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:14 Uhr
  −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Am 5. Juli wird zwar als Nachschlag zum Festival noch Jochen Malmsheimer in der Eventhalle auftreten, aber eigentlich sind die 34. Ingolstädter Kabaretttage Geschichte.

Zum Großteil hat das Programm noch Walter Haber gestaltet, der das auch 2019 noch tun wird, ehe diese Aufgabe dann ab 2020 komplett von Johannes Langer erledigt werden wird. Für beide steht die Qualität des Programms grundsätzlich im Mittelpunkt. Das sagen sie übereinstimmend. Wer letztendlich bei der Planung welchen Künstler vorgeschlagen habe, sei völlig egal. Aufs Ergebnis komme es an. "Wenn dir ein Alfred Dorfer anbietet, zweimal in der Neuen Welt spielen zu wollen, dann muss du ganz einfach zugreifen", sagt Langer. "Manche Sachen musst du einfach machen. Selbst dann, wenn du vorher schon weißt, dass der Saal vermutlich nicht voll wird. Wo sonst kann man Nischen bedienen und auch ausgefallene Geschmäcker befriedigen wenn nicht bei einem solch riesigen Festival wie dem unseren? "

Wobei die Neue Welt, die Eventhalle oder der Theaterfestsaal - Nischen hin oder her - ja trotzdem oft ausverkauft oder doch zumindest sehr gut besucht waren. Die Auslastung lag bei gut 80 Prozent. "Ja, wir konnten den Stand der letzten Jahre halten, obwohl die Kabarettszene anderswo durchaus mit Einbrüchen zu kämpfen hat", so Walter Haber. "Manch altgedienten Kabarettisten hat man ganz einfach schon allzu oft gesehen, hinzu kommt die Konkurrenz durch das Fernsehen. Und außerdem gibt es heute in fast jeder Ortschaft um Ingolstadt herum Kabarett, zwar nicht regelmäßig, aber als Event eben doch. Dem kann man nur durch Vielfalt begegnen, und genau das haben wir recht erfolgreich gemacht. "

Johannes Langer greift ungern Namen heraus, wenn man ihn rückblickend nach seinen Favoriten fragt, nennt aber dann doch exemplarisch Stephan Bauer, Blö-Zinger, Uta Köbernick und Gankino Circus, was aber gar nichts mit seiner Herkunft vom Theater zu tun habe, sondern vielmehr damit, dass es eben in jeder Sparte sehr gute Künstler gebe. Womit wir wieder bei der Vielfalt wären.

Haber war sehr angetan von den bereits bestens eingeführten Frank Markus-Barwasser und Urban Priol und regelrecht begeistert von den Neulingen Inka Meyer und Simon Pearce, denen er eine große Zukunft vorhersagt. Und natürlich von Christoph Siebers, der seiner Meinung nach durchaus die Lücke ausfüllen könnte, die ein Volker Pispers hinterlassen hat. Gibt es Trends? Das poetische Kabarett, bei dem es vor allem um Sprache geht, sei sehr stark derzeit, sagt Haber. Das ins Festival integrierte Ösi-Special sei qualitativ ein richtiger Renner gewesen und die Kluft zwischen Wegwerf-Comedy und faktengestütztem, klassischem Kabarett werde immer größer. Und das Publikum? Oftmals hatte man den Eindruck, es bestehe fast ausschließlich aus eher gesetzteren Herrschaften, und die Jungen kämen ausschließlich zu Künstlern, die sie von Internet-Plattformen her kennen. Johannes Langer vertritt diesbezüglich eine ganz eigene Theorie, die durchaus nachvollziehbar ist. "Das typische Kabarettpublikum ist grundsätzlich eher über Dreißig. Das liegt - ähnlich wie beim Theater - daran, dass man in der Regel zum Kabarett eben erst ab einem gewissen Alter hingeht, weil man erst ab einem gewissen Alter ein wirkliches Interesse dafür entwickelt. Dass Teenies im Publikum sitzen, war doch schon immer die absolute Ausnahme, oder? "

Nachdem Walter Haber das Festival auch im nächsten Jahr federführend gestalten wird, ist er derjenige, der Einblick in die Planungen für 2019 gewährt. "Nun ja, das Programm ist eigentlich fertig", sagt er. "Das Interessante im nächsten Jahr ist, dass viele große und bekannte bayerische Kabarettisten neue Programme haben werden. Die lassen wir uns natürlich nicht entgehen, so sei schon mal verraten. " Man darf also jetzt schon gespannt sein.
 

Kommentar von Karl Leitner

Er dominiert die Schlagzeilen, aber sein Name fiel doch relativ selten bei den Kabaretttagen: Donald Trump. Das ist nur auf den ersten Blick überraschend. Anscheinend sind sich viele politische Kabarettisten darin einig, dass es geradezu albern wäre, sich über ihn lustig zu machen. Man kommt sich irgendwie fast unterfordert vor, sich über ihn Witze auszudenken. So wie er die Komik quasi vor sich her trägt, braucht es das auch gar nicht. Es gibt Personen, da weiß man sofort Bescheid, sobald nur der Name fällt. Trump ist so einer. Dobrindt auch. Und Söder ist auf dem besten Weg dazu.

Die Zeiten, als man Äußerungen aus Politik und Wirtschaft für wahr hielt, waren ja auch vor Trump schon vorbei. Allzu oft wurde man angelogen. Auch mit der Glaubwürdigkeit bestimmter Medien tut man sich zunehmend schwer. Wenn also das klassische Kabarettpublikum „die Wahrheit“ will – und das tut es, wie man bei den Kabaretttagen beobachten konnte – sie aber von offizieller Seite nicht bekommt, hält es sich mehr denn je an das, was politische Kabarettisten sagen. Programme, die exakt recherchierte, überprüfte und mehrmals gegengecheckte Fakten enthalten, standen heuer ganz hoch im Kurs. Wer Politikern nicht traut und den Medien auch nicht, holt sich Informationen an anderer Stelle. Insofern treten viele Kabarettisten die Nachfolge des großen Dieter Hildebrandt an, dessen Offenlegung der Machenschaften hinter dem Rhein-Main-Donau-Kanal den offiziellen Meinungsmachern seinerzeit deswegen so gar nicht passten, weil sie offensichtlich absolut wasserdicht waren.

Einige Kabarettisten haben sich sogar den Expertenstatus erarbeitet. Es gibt vermehrt spezielle Programme zur Medizin, Jurisprudenz, zu den Ernährungswissenschaften, zum Finanz- und Steuerwesen, zu Geschichte und Finanzwesen, Physik, Chemie, Pädagogik, Linguistik und viele anderen Bereichen. Zur Politik ja sowieso. Wer es auch noch versteht, Information mit Entertainment zu verknüpfen, findet ein immer zahlreicheres Publikum. Wenn es wirklich stimmt, was viele von ihnen sagen, dass in unserer Zeit die Flut an Nachrichten nur dazu da sei, das Wesentliche zu verschleiern und die Masse möglichst dumm zu halten, dann ist das doch ein höchst erfreulicher Trend.

Karl Leitner