Ingolstadt
Juan Pérez Floristán begeistert beim Konzertverein

02.02.2022 | Stand 22.09.2023, 23:34 Uhr
Poet an den Tasten: Juan Pérez Floristán bei seinem Auftritt im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt. −Foto: Schaffer

Ingolstadt - Es gibt wohl nur wenige Pianisten, die den substanziellen Gehalt von Musik so sensitiv und kultiviert zugleich erspüren können wie der junge Juan Pérez Floristán.

Für seinen Auftritt beim Konzertverein in Ingolstadt hat sich der charmante Spanier zwei Klavierzyklen vorgenommen, die dem Interpreten absolut fokussierte, auf den Punkt gebrachte Konzentration abverlangen. Genau in solchen Gefilden fühlt sich Floristán absolut heimisch: Ravels moderne, impressionistisch-hedonistische Idiomatik in den "Valses nobles et sentimentales" macht er mit wunderbarer rhythmischer Subtilität, mit betörend sinnlicher Eleganz an den Tasten erlebbar. Das Nachempfinden der kinästhetischen Bewegungen, der Genuss des Wiegens im Dreivierteltakt geht sogar so weit, dass er gleich zu Beginn fast kurz vom Klavierhocker abzuheben scheint. Kraftvoll-akzentuiert entfaltet sich hier sein Anschlag, ohne sich jemals zu übertrieben auftrumpfenden, radikalen Extremen verleiten zu lassen.

Selbst bei den heftigeren Ausbrüchen findet er die perfekte Balance zwischen fließender Intuition und kontrollierter Tongebung. Die hohen feinmotorischen Anforderungen, die gewagten Harmonien, die großen, schnellen Sprünge, die anspruchsvolle Dynamik, die weiten Griffe meistert er mit müheloser Bravour, veredelt dabei die geschärften, würzigen Konturfarben mit seinem ganz eigenen, milden, individuellen Klangtimbre. Runder, präziser Feinschliff, reflektiert-kondensierte Aphorismen in Vollendung, die sich wie in einem Kaleidoskop fortbewegen und nicht zuletzt von den wunderschön pastellig geformten Pianissimo-Nuancen, den brillant schwebenden, filigran aufblühenden Momenten leben.

Sogar noch gesteigert wird das durch die emotionale Achterbahnfahrt, welche Floristán anhand von Chopins "24 Préludes" heraufbeschwört. Wie er die teils flüchtigen, teils schwermütigen, dann wieder rauschhaften Stimmungswechsel in grandios philosophischer Manier auf dem Flügel vorüberziehen lässt, ist eine magische Offenbarung. Mysteriös, pur, sprudelnd, düster, vorwärtsdrängend, aufgewühlt, majestätisch, rasant, bedrohlich, wuchtig, kantabel, ausschweifend, leidenschaftlich - Floristáns gestalterische Gefühlspalette scheint endlos. Besonders faszinierend: Die klare, leuchtende Schattierung, das kristalline Klangkolorit, mit denen er die musikalische Textur durchdringt. Ob anrührend schlicht oder überbordend virtuos - der mehrfache Preisträger weiß genau, welches Tempo, welche Illustration der Arpeggien, welche Form des Rubato, welcher Einsatz des Pedals für seine Ausdeutung richtig ist.

Und doch spielt er jedes dieser kurzen, verdichteten, tiefschichtig konstruierten Stücke gleichzeitig so, als würde es gerade erst seiner Fantasie entspringen, wie eine just aus dem Moment heraus entstehende Improvisation. Bis er die ekstatisch aufflammende Ornamentik des letzten Préludes in halsbrecherisch nach oben rasenden Tonleitern und abwärts stürzenden Terzkaskaden gipfeln lässt.

Die Begeisterung des Publikums entlädt sich in langem Applaus und enthusiastischen Bravo-Rufen, die den herausragenden Künstler zu einer Zugabe animieren: Schuberts natürlich-ungekünstelte, tänzerische Klavierminiatur "Moment Musicaux" Nr. 3. Man möchte Floristán, diesen wunderbaren Poeten an den Tasten, unbedingt noch einmal mit einem uneingeschränkten, abendfüllenden Konzertprogramm in Ingolstadt erleben.

DK

Heike Haberl