Ingolstadt
Charismatischer Superstar

3. Highlight der Ingolstädter Jazztage: Caro Emerald feiert mit dem Publikum eine mitreißende Party im Festsaal

13.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:57 Uhr

−Foto: Martina Persy

Ingolstadt (DK) Um kurz nach 21 Uhr verwandelt sich der Festsaal zum Dancefloor. Zwischen den Reihen, im Gang, auf dem Balkon, als Paar oder in ausgelassener oder glückseliger Solo-Performance: Hauptsache, bewegen. Klatschen. Mitsingen. Wie auch bei den Jazzpartys oder bei Jazz in den Kneipen geht das einmal durch die Generationen.

Kurz vor dem Wechsel zu tanzbareren Nummern hat Caro Emerald fast unbemerkt ihre Schuhe mit den niedrigen Absätzen gegen bequeme Sneakers getauscht - und liefert eine mitreißende und energetische Show. Die niederländische Pop-Swing-und Jazzqueen spielt mit ihrer Band, dem siebenköpfigen Grandmono Orchestra, und einem DJ und Produzent am Bühnenrand, einen Hit nach dem anderen. "Liquid Lunch", "Stuck" oder "This Night". Bis zum Ende des Konzerts hält es nur noch wenige im Publikum auf ihren Stühlen. Da hat Caro Emerald auch längst wieder ihre Stimme im Griff. Anfangs kommt sie hier und da - möglicherweise durch die vorherigen Konzerte beansprucht - nicht ganz lupenrein in die Höhen.Den Abend beginnt Caro Emerald - die unter dem bürgerlichen Namen Caroline Esmeralda van der Leeuw 1981 in Amsterdam geboren wurde, nach einem Jazzgesang-Studium am Conservatorium von Amsterdam durch einen Zufall entdeckt worden ist und seit 2009 eine steile Karriere hingelegt hat - mit ruhigeren Stücken, mit neueren Songs. Dem Reggae-lastigen "Never Ever", das an Disko-Klassiker der 70er erinnernde "Whatchugot" oder das nach exotische "Tahitian Skies". Sie und ihre Band mischen dabei munter und losgelöst von abgezirkelten Stilgrenzen Swing und Jazz, Latin-Rhythmen und wenigen Popanleihen mit zeitgenössischer Elektronik und pulsierenden (House)Beats. Da sind Scratch-Einlagen dabei, erinnert der Sound an Loungejazz von Bands wie De-Phazz.

Der raffiniert aufgepeppte Vintage-Sound brachte der Niederländerin mit der wandelbaren Stimme den Erfolg. Sie stürmte ab 2010 die Charts erst in Holland, später dann in Deutschland, in Österreich und in England, erhielt Platin, trat beim Montreux Jazz Festival auf, brachte Tausende auf diversen Festivals in Bewegung und trat in diesem Jahr bei der Gala für von Quincy Jones zu dessen 85. Geburtstag in der O2-Arena in London auf.

Nun aber Ingolstadt, das einzige Konzert in diesem Jahr in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen waren sie und ihre Band von einer England-Tournee nach Amsterdam zurückgekehrt, wo sie noch immer lebt und das ihr eine der faszinierendesten Städte Europas ist. Mit dem großstädtischen und internationalen Flair einer Metropole, aber gleichermaßen überschaubar mit den kleinteiligen Strukturen, wie sie im Interview mit dem DONAUKURIER verrät.

Da sitzt Caro Emerald wenige Stunden vor dem Konzert entspannt in der Garderobe des Stadttheaters. In Jeans und Pullover. Und auch wenn sie später auf der Bühne - mit großen Palmen als Ohrringe, adretter Blumenbluse und engem schwarzen Rock - dem 50er-Jahre Chic verfällt, wird sie nicht zur Diva, ist keine Glamour-Queen. Überhaupt will sie in den Jahrzehnten, die ihr den musikalischen Fundus bieten, nicht gelebt haben. "Die Frauen hatten wenige Rechte, waren abhängig. Nein, bitte nicht!" Caro Emerald kommt auch auf der Bühne lässig und nicht pompös daher, setzt gut gelaunt auf die Kraft ihrer Stimme und die Eingängigkeit ihrer Songs, die meist Ohrwürmer sind, aber nie abgedroschen daherkommen. Der musikalische Mix macht wohl den Erfolg: eine Prise Duke Ellington hier, ein Schuss Shirley Bassey da, ein bisschen Revue und Chanson und Anklänge von Hollywood-Filmmusik. "The Lipstick On His Collar", "Ghost Of You" oder "I Belong To You" klingen wie aus einem Bond-Film gefallen. Oder sie covert Camilla Cabello's Hit "Havana".

Großen Anteil an der ausgelassenen Stimmung haben aber auch die Musiker, die großartige Soli abliefern, wie Derwische auf der Bühne tanzen und für die treibenden Grooves sorgen. "Jedes Konzert ist ein Gemeinschaftswerk", sagt Caro Emerald vor dem Konzert in der Garderobe. Und das beschwören sie auch als Ritual, wenn sich alle vor jedem Live-Act umarmen. Keiner dürfe vergessen werden und keiner zweimal bedacht werden. "Da sind wir ein bisschen abergläubisch." An diesem Abend ist nichts schief gegangen.
 

Katrin Fehr