Ingolstadt
Laute Stars

Ingolstädter Jazztage: Hohe Erwartungen an Konzert mit Klaus Doldinger und Max Mutzke nur teilweise erfüllt – Schlecht abgemischter Sound

06.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr
Max Mutzke −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Lob gibt es am Sonntagabend im Ingolstädter Festsaal viel: Mit Standing Ovations feiert das Jazztage-Publikum Klaus Doldinger, der die deutsche Kulturlandschaft maßgeblich geprägt hat – ein Bundesverdienstkreuz und der Echo Jazz für sein Lebenswerk zeugen davon.

Der 81-Jährige wiederum lobt die Ingolstädter Jazztage als Festival mit einem guten Ruf, er lobt die Zuhörer („schön, dass ihr so mitgeht!“) und er lobt seine Band Passport („Ich bin immer wieder glücklich, wie diese Band auch den Sieben-Viertel-Takt zum Schwingen bringt“). Und der Pop- und Jazzsänger Max Mutzke, der als Spezialgast dabei ist, drückt seine Bewunderung für Doldinger und seine Mitstreiter aus. Es ist ganz unbestritten, dass sich eine illustre Runde auf der Bühne im Festsaal eingefunden hat und dass die Jazztage sich mit solchen Gästen schmücken können. Bei dieser Besetzung hätte es ein fulminantes Konzert werden sollen – aber vor lauter Vorschusslorbeeren geht die Musik an diesem Abend irgendwie verloren.

Das ist verwunderlich. Denn Klaus Doldinger feiert mit seiner Jubiläumstour immerhin eine Bühnenerfahrung von mehr als 60 Jahren. Und seine Band Passport gibt es seit 1972 – die aktuelle Besetzung spielt nicht von Anfang an, aber bereits eine ganze Weile zusammen. Schon viele Jazztage-Konzerte sind im Festsaal über die Bühne gegangen. Trotzdem gehen an diesem Abend einige Dinge schief, die den Genuss mindern.

Definitiv kein Lob verdient der Sound. Die Tontechnik ist einem Jazztage-Highlight nicht würdig. Insgesamt ist alles so unnötig laut, dass es im Parkett unangenehm ist – wie einige Zuhörer berichten, auch oben auf den Rängen. Klaus Doldingers legendäres Saxofon klingt so grell, dass es manchmal schmerzhaft ist. So können wunderbare Kompositionen wie „Ataraxia“ nicht ihre volle Wirkung entfalten. Von Martin Scales an der Gitarre hört man nur etwas, wenn er ein Solo spielt. Sonst verschwimmt er meistens mit Patrick Scales am Bass und Christian Lettner am Schlagzeug zu einem Klangbrei. Und die beiden großartigen Percussionisten Ernst Ströer und Biboul Darouiche dringen oft nicht durch. Man sieht sie detailverliebt ein Instrument schütteln, aber man hört diese Nuance nicht. Michael Hornek an den Tasten hat es leichter: Seine Synthesizer-Klänge tragen durch den Saal. Er experimentiert mit Freude herum, seine teils spacig klingenden Einwürfe schaffen den Fusion-Sound der Band maßgeblich mit. Es gibt immer wieder gute Momente, wenn Doldinger mit Hornek scherzt oder mit Patrick Scales einen Solo-Wettstreit startet.

Trotzdem ist das Programm nicht ideal. Es passt nicht zum Festsaal, wo das Publikum in Stuhlreihen sitzt. Wenn Passport von Anfang an die volle Fusion-Druckwelle durch den Saal schickt, dann wird das einfach anstrengend. Zumal es keine Pause gibt. Dabei geht es nicht nur um Lautstärke, sondern auch um die musikalische Dichte der Stücke. Die Band und Klaus Doldinger geben Vollgas. Das bedeutet: viel Druck in der Rhythmusgruppe, viel Tempo in den Soli und kaum leisere, ruhigere Passagen dazwischen. Das Problem ist: Die Zuhörer können sich im Sitzen nur wenig zur Musik bewegen und so mit dieser geballten Energie kaum umgehen. So schwappt die Fusion-Welle über die Zuhörer hinweg. Aber eine Atmosphäre baut sich nicht so recht auf. Man darf von erfahrenen Musikern erwarten, dass sie auf die Situation reagieren und Ruhepole schaffen. Zumal die Band, wie Doldinger erklärt, das Programm ohnehin nicht vorher komplett festgelegt hat – „wir improvisieren ein wenig, mehr als sonst“.

Grund für den ungewohnten Ablauf ist der Spezialgast: Pop- und Jazzsänger Max Mutzke stößt für einige Stücke zu Passport. Leider kommt er nur für drei Songs ganz am Ende der Show. Nach seinem fulminanten Auftritt bei den Jazztagen 2013 hätte man gerne mehr von ihm gehört. Und er hätte dem Programm mit seinem unglaublichen Feeling für die Songs auch gutgetan. Ein schöner Moment ist, als er das Publikum die Linien seines Vocal-Solos mitsingen lässt. Und ein weiterer, als er „Me and Mrs. Jones“ performt, denn dieser Klassiker klingt bei ihm neu und verführerisch. Der Song ist gleichzeitig einer der wenigen Ruhepole des Abends. Zwischen Mutzke und Doldinger gibt es eine besondere Verbindung: Der Sänger überreichte dem 81-Jährigen in diesem Jahr den Echo Jazz. Es funkt zwischen den beiden auf der Bühne – man hätte gern mehr davon gesehen. Weil Passport immer noch unvermindert Druck macht, geht das fast unter. Trotzdem gibt es großen Applaus für die Stars und großartigen Musiker. An diesem Abend hätten sie sich allerdings besser präsentieren können.