Ingolstadt
Inoffizielles Highlight

Das Benedikt-Streicher-Trio bei den Jazztagen

07.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:54 Uhr
Hervorragender Komponist und exzellenter Pianist: Benedikt Streicher und sein Trio begeisterten in der Neuen Welt. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Kenn ich das nicht irgendwoher?

So mag mancher bei der Themenvorstellung der ersten Nummer denken. Ist das von Chick Corea? Oder von Joe Sample? - Nein, man kennt es definitiv nicht. Auch die folgenden Stücke des Benedikt-Streicher-Trios kennt man nicht, denn der Bandleader hat sie vor kurzem erst komponiert und arrangiert. Es gibt sie nirgends auf Tonträger und man musste schon den Weg in die Neue Welt auf sich nehmen, um sich Benedikt Streicher, (Klavier, E-Piano), Gabriel Streicher (E-Bass) und Tom Diewock (Schlagzeug) live anzusehen.

Wer dies im Rahmen der Ingolstädter Jazztage getan hat, erlebte fürwahr sein blaues Wunder. Nachdem ja alle Welt bei den Jazztagen zu den Highlights und den Jazz Partys pilgert und die Ingolstädter Szene eher - völlig zu Unrecht - weniger wahrgenommen wird, tut ein Konzert wie dieses unheimlich gut, denn mit welcher Souveränität diese drei Musiker hier quasi aus dem Stand all diese herausragenden Kompositionen direkt von der Schnittstelle von Modern und Fusion präsentieren, das hat schon Klasse.

Vieles an ihnen ist akribisch geplant und ausgetüftelt und wirkt doch so leichtfüßig und verspielt. Es gibt intime, behutsam vorgetragene, geradezu zerbrechliche Passagen, in denen es auf jede Nuance ankommt, es gibt wuchtige, dramatische Abschnitte, ständig wechselt der Grad der Dynamik, eine Melodie driftet ab, wird dann wieder greifbar, man hört kammermusikalische Sequenzen, Einsprengsel aus der Klassik, an anderer Stelle lässt die Band sich treiben, reitet auf dem Flow, setzt fließende Linien, pumpende Grooves und filigrane Tupfer in Beziehung zueinander. Das ganze Ausmaß an Wagemut und Abenteuerlust wird bei "Circling" deutlich. Hier werden Rondo und Sonatensatz unter dem Dach des Jazz aufeinander losgelassen, und was dabei herauskommt, ist wahrlich beeindruckend. Die Band streift die einstige Canterbury-Scene um Bands wie Hatfield & The North, kommt irgendwie auch noch bei King Crimson und Dave Weckl vorbei und findet dennoch immer zu ihrer ganz eigene Sprache. Hut ab vor diesen Stücken, aber auch vor deren Umsetzung in der Live-Situation. Sie sind nicht nur ungemein spannend, sondern es macht auch jede Menge Spaß, der Band bei ihrer Arbeit zuzuhören.

2017 bekam Benedikt Streicher den Jazzförderpreis der Stadt Ingolstadt verliehen. Jetzt weiß man, warum, und dass es genau den richtigen getroffen hat. Jetzt zeigt er sich erkenntlich und gibt dem Publikum seiner Heimatstadt diese tollen Stücke zurück, die er hoffentlich noch bei vielen künftigen Konzerten in der Region vorstellen wird. Wer diesen Auftritt versäumt hat, darf sich hingegen getrost über sich selbst ärgern. Neben den offiziellen "Highlights" der Jazztage war dies eindeutig ein weiteres.

Karl Leitner