Ingolstadt
"Musik gegen die Skandalpolitik der CSU"

Die Ingolstädter Orgeltage beginnen mit der Uraufführung einer Komposition von Maximilian Helmschrott

25.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:00 Uhr
Komponist und Interpreten der Uraufführung: Christoph Well (von links), Maximilian Helmschrott und Franz Hauk. −Foto: Herbert/Archiv

Ingolstadt (DK) Nicht nur eine musikalische Rückschau auf die Erinnerungszahlen des 30-jährigen Krieges wie auch des Ersten und Zweiten Weltkriegs soll sie sein, sondern beinhaltet vor allem eine aktuelle politische Dimension: Die neue Komposition von Robert Maximilian Helmschrott, emeritierter Professor für Tonsatz an der Hochschule für Musik und Theater in München, mit der die diesjährigen Ingolstädter Orgeltage eröffnet werden.

"Salamu" hat er sie genannt - wie das älteste überlieferte Verbum für Frieden. Die künstlerische Ausgestaltung übernimmt ein renommiertes Solistenquartett: Der Perkussionist Stefan Blum, der Organist Franz Hauk, der Trompeter Christoph Well sowie die Violinistin Theona Gubba-Chkheidze.

Herr Helmschrott, beim Auftaktkonzert der diesjährigen Ingolstädter Orgeltage wird unter dem Motto "Krieg und Frieden" Ihr neues Werk "Salamu" uraufgeführt. Was versteckt sich hinter dem Begriff?
Robert M. Helmschrott: "Salamu" ist ein Wort aus der akkadischen Sprache, die uns nur in Keilschrift überliefert ist. Das Reich der Akkadier wurde 2334 vor Christus gegründet und lag in Mesopotamien im Zweistromland Euphrat und Tigris. Das Wort bedeutet "Unversehrtheit, Heil, Gesundheit", also Zu-FRIEDEN-heit. Es ist der erste bekannte Friedensgruß der Menschheit, und Vorläufer der jüdischen Grußformel "Schalom" und der arabischen Grußformel "as-salamu alaikum". Auch die christliche Grußformel "Der Friede sei mit Euch" steht in dieser Tradition.

Wie kam es zur Idee für diese Komposition? Was gab den Anlass?
Helmschrott: Anlass war ein erneuter Kompositionsauftrag von Franz Hauk zum Erinnerungsthema 1618 - Ende Dreißigjähriger Krieg -, 1918 - Ende Erster Weltkrieg -, 2018 - Kriege und Kriegstreiberei. Die Tatsache, dass Deutschland noch nie so viel Waffen und Munition produziert und verkauft wie derzeit und sich damit indirekt an Kriegen beteiligt, hat die dramaturgische Konzeption des etwa halbstündigen Werkes veranlasst, rund 20 Minuten "Wutmusik" in voller Lautstärke mit 172 lauten Trommelschlägen zu Beginn, die durch eine leise "Mutmusik" (Canto di tristezza) für Violine solo abgelöst wird. Das Stück endet mit einem wilden Trommelschlag.

Welche politische Dimension steckt dahinter?
Helmschrott: Meine Musik wendet sich auch gegen die Skandalpolitik der CSU. Mein Komponistenleben war und ist der Sakralmusik gewidmet, deshalb wurde mein lebenslanges Komponieren stets auch vom Kulturverständnis der CSU getragen. Nun ruft Alexander Dobrindt eine "konservative Revolution" aus und Herr Söder wird, sofern er gewählt wird, bald einen "neuen Nürnberger Parteitag" ausrufen, die Polizeigesetze dafür sind ja bereits mit Brachialgewalt im Landtag durchgesetzt worden. Da hört sich für mich jedes CSU-Verständnis auf: Es reicht! Bin ich eine Minderheit, die so denkt? Nein, 20000 Menschen haben am Sonntag in München gegen die CSU protestiert.
 
Um sich für Frieden einzusetzen, um Trauer aufzuarbeiten, reicht für Sie Beten allein nicht mehr aus, wie Sie sagen. Inwieweit kann aus Ihrer Sicht Musik - Sie bezeichnen Ihr Werk "Salamu" auch selbst als Verzweiflungs-, als Wut-, als Protestmusik - da Abhilfe schaffen?
Helmschrott: "Beten hilft nicht mehr" meint, man muss handeln. Um die Freiheit zu sichern, auch die Freiheit des Christenmenschen, muss man handeln und Widerstand leisten. Deshalb ist in dem Konzert vorgesehen, dass kurz vor dem Ende von "Salamu" das Gedicht von Friedrich Ani, das vor 14 Tagen in der Münchner "Abendzeitung" abgedruckt war, zu lesen: "Ich glaube nicht an Horst Seehofer. Ich glaube nicht, dass Horst Seehofer Christ ist. . . "

Sie haben den Solisten dieses Konzerts das Stück quasi auf den Leib geschrieben. Worauf haben Sie besonderen Wert gelegt?
Helmschrott: Ich kenne die Interpreten sehr gut, sie sind Virtuosen ihres Instrumentes, das wurde berücksichtigt.

Die Instrumentenkombination besteht aus Schlagwerk, Trompete, Violine und Orgel. So etwas hört man nicht alle Tage. Was fasziniert Sie an dieser Zusammensetzung?
Helmschrott: Die Orgel wird in dieser Komposition auch "geschlagen", mit wilden Akkorden, das Schlagwerk verstärkt diesen Charakter, die Trompete hat "Signalfunktion" und die Violine spielt den "Trauergesang" (beziehungsweise die Enttäuschungsmusik).

Sie haben diese Komposition als "Aufschrei" konzipiert. Was hat das konkret für Ihre eigene Kompositionsweise bedeutet - und was bedeutet es für die Interpretation?
Helmschrott: Den aktuellen Anlässen entsprechend versucht das Stück, das "äußerste Klangvolumen" zu erreichen und die Interpreten sind deshalb herausgefordert, mit "äußerster Kraftanstrengung" zu spielen. Salamu ist eine schöne Musik? Sie soll betroffen machen? Wegen der vielen Kriege in der Welt und wegen der skandalösen Abschottungspolitik der CSU? Wutmusik!

An diesem Abend erklingen auch Werke von Bach, Jehan Alain und Stefan Blum (einem der Solisten). Wie fügen die sich in das Konzept ein?
Helmschrott: Franz Hauk spielt auch den Choral "Wenn wir in höchsten Nöten seien". Bachs Antwort auf unsere Zeit. Die "Litanies" von Alain ist ein "erregtes Gebet" und das Werk für acht Trommeln von Stefan Blum zeigt den Interpreten in hochdisziplinierter Virtuosität, die ganz zum Thema des Abends passt.

Sonntag, 29. Juli, 20.15 Uhr: "Krieg und Frieden" - Eröffnungskonzert der Ingolstädter Orgeltage im Ingolstädter Liebfrauenmünster. Karten sind ab 19.30 Uhr an der Abendkasse erhältlich. Der Einlass erfolgt ab circa 20 Uhr nach der Abendmesse. Zugewiesene Sitzplatzkarten gibt es vorab unter www. orgeltage-ingolstadt. de. Auch in den Geschäftsstellen des DONAUKURIER können Karten erworben werden.