Ingolstadt
Ein Leben aus Farbe und Ton

22.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:33 Uhr

Prägte die Kunstszene Ingolstadts: Pius Eichlinger im Jahr 2010 in seinem Atelier - Foto: Derstroff

Ingolstadt (DK) Dieses Bild prägte sich ein; es bleibt in Erinnerung: Da sitzt der kleine alte Mann mit der gänzlich unergrauten Ponyfrisur im beklecksten Malerkittel fröhlich inmitten von 600 Vernissagen-Gästen und all den wunderbaren Arbeiten seines Lebens und „schmiert“ ein Bild.

So, „schmieren“, nannte Pius Eichlinger stets respektlos seine souveräne Kunst der Malerei, die er zur großen Retrospektive seines Werks im Jahr 2011 in der Galerie des Theaters noch einmal in aller Fülle zeigte. Zusammen natürlich mit seinen Objekten, Figuren, Stelen aus Keramik – „baatzen“ hieß diese Technik bei ihm. Und hier wie da war viel Neues, gerade erst Entstandenes und immer Qualitätvolles zu sehen. „Junggebliebene Kunst“, titelte unsere Zeitung über diese Schau; und jung geblieben, mit dem Charme, der Lebhaftigkeit und dem Witz, die für ihn typisch waren, präsentierte sich auch der damals 86-jährige Künstler. Nun ist Pius Eichlinger tot: Der Maler und Keramiker, Kunstpreisträger der Stadt von 1995, starb in der Nacht zum Freitag im Alter von 89 Jahren. Er hinterlässt seine Frau Ursel, mit der er 55 Jahre verheiratet war, eine große Familie mit, wie er froh sagte, „fünf alten Kindern und elf erwachsenen Enkelkindern mit Anhang“ – und ein Konvolut an Keramik und Malerei.

Ingolstadt wird dieser besondere Künstler fehlen. Über Jahrzehnte prägte Eichlinger die Kunstszene der Stadt, die immer seine war, mit seinen Arbeiten und seiner Persönlichkeit. Der gebürtige Ingolstädter, aufgewachsen Am Bachl, der am humanistischen Gymnasium Abitur gemacht hatte und nach seinem Studium an der Münchner Akademie wieder in seine Heimatstadt zurückgekommen war, war einerseits ein berufener Kunstlehrer: In seinen knapp 20 Berufsjahren am Scheiner-Gymnasium lehrte er sein Credo der Kreativität und des Tuns und brachte so manchen Schüler durch seine Leidenschaftlichkeit auf die eigene künstlerische Bahn – wie etwa seinen späteren Kollegen, den Rohrbacher Keramiker Hans Dollinger. Und er war andererseits ein freigeistiger, stets aktiver Künstler. Als Eichlinger 1960 die Provence für sich entdeckte, später ein Haus in Miramas le Vieux erstand und es zum Zweitwohnsitz machte, brachen sich die Farben und Landschaften des Südens explosionsartig auf der Leinwand Bahn, farbstarke, expressive Bilder von unverkennbarem Duktus wurden sein Markenzeichen.

Ab 1976 arbeitete Pius Eichlinger ausschließlich freiberuflich und setzte dabei zahlreiche Zeichen in die Stadt wie die Keramikreliefs im Klinikum oder im Nordfriedhof oder den Kreuzweg in der Kirche St. Peter – denn seiner ersten Liebe, der Keramik, blieb der Künstler bis zuletzt treu. „In Miramas mal ich, daheim mach ich Keramik“, sagte er einmal. Das zeigte sich auch in seiner letzten großen Ausstellung 2011: Neben neuen Bildern wie ausdrucksstarken Selbstporträts präsentierte der 86-Jährige unter anderem die wundersamen „Fremden“: Eine Gesellschaft aus hinreißend schrägen, farbigen, frechen und jungen Janusköpfen, die in den Jahren 2005 bis 2010 entstanden waren. Die nannte Eichlinger dann wiederum „eine Spielerei“ – in der ihm eigenen selbstironischen, unbefangen fröhlichen Art, mit der er auch Ausstellungen, Diskussionen, Kunstereignisse belebte. Denn präsent war Pius Eichlinger in Ingolstadt bis kurz vor seinem Tod nicht nur mit seinem Werk, sondern immer auch mit seiner Persönlichkeit: als lebendiger Teil der Kunstszene, als Gast, Teilnehmer, Besucher, Mitdiskutierer der Veranstaltungen seines Berufsverbandes, als leidenschaftlicher, den Menschen zugewandter Mensch. Auch in dieser Hinsicht wird er fehlen.