Ingolstadt
Perfektes Zusammenspiel

Violinvirtuosin Priya Mitchell und das GKO

01.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Konzertierte in perfektem Einklang mit dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt: die Violinvirtuosin Priya Mitchell - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Zwei Violinvirtuosen und ein Spitzenorchester widmen sich Beethovens Violinkonzert in D-Dur. Zwei Violinvirtuosen? Der Chefdirigent des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt (GKO), Lavard Skou Larsen, ist selbst Violinsolist, was dem Konzertabend im Festsaal Ingolstadt eine zusätzliche Bedeutungsebene einziehen wird, auch wenn Larsen nicht den Bogen, sondern den Taktstock führt.

Solistin ist Priya Mitchell, eine Violinistin irisch-indischer Abstammung, die es geschafft hat, binnen kurzer Zeit an bedeutenden Spielstätten der Welt anzukommen und mit Orchestern wie dem BBC Symphonic Orchestra oder dem Royal Philharmonic Orchestra auf der Bühne zu stehen.

Beethoven schrieb nur dieses eine Violinkonzert. Die Uraufführung im Dezember 1806 fiel bei der Kritik durch. Zu unspektakulär die Solopassagen, zu viele Wiederholungen, die Orchestereinleitung des Kopfsatzes zu lang – so befand die Kritik damals einhellig. Tatsächlich aber wies das Werk weit voraus und wurde zu einem der meistgespielten Violinkonzerte.

Im Festsaal ertönt das Paukenmotiv. Das auch als „musikalisches Begleitsignal“ der Französischen Revolution gedeutete, oft wiederholte Motiv bleibt in der Interpretation der Georgier unter Lavard Skou Larsen ein Stilmittel und integraler Bestandteil, wird aber nicht überhöht exponiert. Larsen erweist sich überhaupt als Meister der leisen Töne. Die Interpretation gerade des ersten Satzes ist sowohl im Tempo als auch in der Tonstärke weit zurückgenommen. Dem Orchester gelingt es, die Dynamik des Werkes in die leisen Regionen zu verschieben, sie dort zu erhalten, was feinste Nuancen bedingt und eine neue Perspektive auf das Werk eröffnet. Nach der Einführung des Hauptmotivs in D-Dur, erfolgt eine Wiederholung in d-Moll. Larsen inszeniert auch diese zu Pathos oder auch Rührseligkeit verleitende Passage gleichberechtigt, mehr als Hinweis darauf, wie viel die Veränderung weniger Töne an der Aussage eines Motivs ändern kann.

Solistin Priya Mitchell öffnet jetzt die Tür zu einem dunklen Raum. Die Violinvirtuosin tastet sich vorsichtig hinein, berührt grundlegende Elemente, neugierig, aber nicht forsch und kommt im Werk an. Mitchell spielt das Violinkonzert hochemotional, stellenweise introvertiert, die kontemplative Grundlage nutzend, die ihr das Orchester verschafft. Dessen ins Leise verschobener Klang verschafft Mitchell die Freiheit leiser Töne und feinster Nuancen, die sie perfekt zu nutzen weiß. Einen Vorhalt in der Solostimme reizt Mitchell bis zum Äußersten aus – um ihn in der letzten Sekunde gelassen heiter aufzulösen. Jederzeit ist in ihrem Spiel neben purer Freude auch Forscherdrang zu spüren, welche verborgenen Aspekte sich in diesem Violinkonzert noch finden lassen.

Ein auch soloviolinistisch denkender Dirigent und eine Spitzensolistin scheinen an einem Faden zu hängen und realisieren mit dem Orchester eine symbiotisch-hinreißende Interpretation dieses Werkes, das für die Begegnung dieser Ausführenden wie geschaffen scheint. Das begeisterte Publikum erhält eine Zugabe, in der Mitchell mit dem Traditional „Greensleeves“ einen musikalischen Gruß nach England schickt. Schuberts zweite Symphonie in B-Dur erklingt nun. Das Georgische Kammerorchester unter Lavard Skou Larsen präsentiert das Jugendwerk Schuberts so, wie es ist: von Sturm und Drang geleitet, energisch und ambitioniert zwar, aber noch bei Weitem nicht von der kompositorischen Reife späterer Werke. Das eher selten aufgeführte Werk beschließt einen höchst gelungenen Konzertabend.