Ingolstadt
Gesund mit Giraffe und Schildkröte

Barbara Rütting begeistert im DK-Forum Ingolstadt mit ihren Lebensweisheiten und zeigt gleich noch ein paar Übungen

28.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:12 Uhr

In Bewegung: Schauspielerin Barbara Rütting las vor, erzählte und war ständig in Aktion - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Sie ist zierlich, kommt gut gelaunt und voller Elan in das DK-Forum, wo „eine aufgekratzte Menge lieber Menschen“ die Schauspielerin und Autorin mit Beifall empfängt. Die 85-Jährige strahlt und ruft: „Es ist überwältigend. Ich dachte, Sie sitzen bei diesem Wetter alle im Biergarten!“ Weit mehr als 200 Zuhörer warten gespannt darauf, dass Barbara Rütting aus ihrem Buch „Was mir immer wieder auf die Beine hilft“ liest.

Darunter auch Fans, die sie als Schauspielerin verehren, Autogrammjäger mit Fotos, Autogrammkarten, sogar mit Büchern über die Edgar-Wallace-Verfilmungen. Sie schmunzelt, denn es sind dies vor allem Jüngere. Und es sind „unerwartet viele Männer“ da, obwohl es am Freitag um Gesundheit gehen soll.


Der Zuspruch tue ihr gut, weil sie als eine der Ersten, die sich für Vollwertkost eingesetzt haben, oft angegriffen worden sei. Sie würde „den Hühnern die Körner wegfressen“. Ihre Gesundheitstipps, die sie in vielen Büchern bereits dokumentiert hat, sind alle von ihr selbst erprobt. Dabei betont Barbara Rütting mehrfach: „Ich bin keine Ärztin, kann keine Diagnose stellen, nur sagen, was mir geholfen hat.“

Und das nicht nur nach ihrem ersten Zusammenbruch 2006 als Abgeordnete im Bayerischen Landtag und dem Burnout im Februar 2009. Barbara Rütting gehört zu den empfindsamen Seelen – als Siebenjährige hatte sie ihren ersten Nervenzusammenbruch, nachdem ihre Mutter, Religionslehrerin an der Dorfzwergschule, von der Kreuzigung Jesu erzählt hatte: „In einer solchen Welt wollte ich nicht lange leben“, sagt sie. Doch ist sie froh, dass sie sich „immer wieder aufgerappelt hat“, dass sie zu einem Teil dieser Gemeinschaft werden und dazu beitragen konnte, die Welt ein bisschen besser zu machen, sagt sie mit ihrer dunklen, warmen Stimme.

Noch heute sei sie empfindsam, leide daran, wie die Menschen mit der Umwelt, mit Tieren umgingen. Das sei auch einer der Hauptgründe, dass sie sich vegetarisch ernähre, mittlerweile sogar vegan. „Wer weiß, dass auch auf Biobauernhöfen die Kälbchen ihrer Mutter weggenommen werden, die Kuhmütter darunter leiden, Tränen weinen, wer weiß, dass auch auf Biohöfen männliche Küken geschreddert werden, der kann keine tierischen Produkte mehr zu sich nehmen“, hat sie für sich die Konsequenz gezogen.

Und zwar auf die für sie typische Weise: radikal. „Was ich aber anderen Menschen nicht empfehle“, betont sie gleich. Es sei für die meisten Menschen besser, alles langsam anzugehen. „Reduzieren Sie. Niemand muss zum Vegetarier werden. Aber einfach weniger vom Tier, weniger Milchprodukte, dafür Bioobst und -gemüse. Wasser aus Glasflaschen bevorzugen, in Plastikflaschen sind Weichmacher drin“, zählt sie auf und greift gleich selbst zur Wasserflasche.

Das Wort „weniger“ gehört zu ihren Schlüsselbegriffen: sich weniger Sorgen machen, weniger Hektik, weniger an Kränkung, Wut, Enttäuschung herunterschlucken. Dafür mehr lachen, auch weinen, mehr Bewegung, mehr und tiefer atmen, auch mal einen Wutausbruch riskieren. Sagt’s, springt auf und zeigt, wie es geht: die „Schildkröte“ mit Kopfkreisen, Schultern hochziehen und herunterhängen lassen, für die Sehkraft rollt sie die Augen, massiert sie, für das leidende Herz klopft sie auf die Herzgegend. Am lustigsten ist die „Giraffe“: Barbara Rütting steht auf, macht den Hals lang und schnüffelt an imaginären Blättern. „Zur Freude Ihrer Mitmenschen sollten Sie das beim Warten an einer roten Ampel oder auf dem Bahnsteig machen“, sagt sie mit einem schelmischen Augenzwinkern und hat gleich wieder die Lacher auf ihrer Seite.

Überhaupt scheint das Rezept ihrer Vitalität vor allem der Humor, auch der schwarze, zu sein. Ihre Lebensweisheiten würzt sie mit Anekdoten und Witzen. Sie, die in ihrer Kindheit nicht viel zu lachen hatte, auch als Erwachsene immer wieder von Sorgen und depressiven Verstimmungen geplagt wurde und bereits als 30-Jährige unter Rheuma litt, hat gelernt, den körperlichen und seelischen Anlagen sowie den Zumutungen des Lebens mehr als ein Schnippchen zu schlagen. Sie hat innegehalten, sich gefragt, ob dieser Weg wirklich der ihre ist, hat anders weitergemacht, neu angefangen. Zum Beispiel mit 82 Jahren ihr neues Zuhause, das Haus im Spessart, gekauft – „an dem Kredit zahle ich noch in 20 Jahren!“ So macht sie Mut zum eigenen, selbstbestimmten Leben und dazu, sich zu engagieren: „Sie haben als Verbraucher Macht. Gehen Sie auf Politiker zu und denken Sie an die Hummel! Wissenschaftlich gesehen ist sie zu schwer zum Fliegen. Und sie fliegt doch.“ Wieder Riesenapplaus. Und eine lange Schlange beim Signieren.