Ingolstadt
Zwischen 1848 und der Jetztzeit

Thomas Köcks historische Travestie "kudlich" hat morgen am Stadttheater Ingolstadt Premiere

22.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) In seinem Stück "kudlich" nutzt der 1986 in Steyr geborene Thomas Köck die Biografie des österreichischen "Bauernbefreiers" Hans Kudlich, um Fragen nach Revolution und Widerstand zu erörtern. Unter der Regie von Michael Simon hat das 2016 in Wien uraufgeführte Stück morgen Abend im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt Premiere.

Was hat ihn daran gereizt? "Thomas Köck beschreibt die Revolutionsgeschichte von 1848 anhand von Hans Kudlich, zieht aber Parallelen zum Heute, indem er beispielsweise FPÖ-Politiker wie Herbert Kickl und Norbert Hofer, die jetzt beide Minister in Wien sind, in seiner speziellen Sprache mit in die Geschichte einbaut", erklärt Michael Simon. "Spannend ist, dass man aus dem Blick auf die Geschichte des 19. Jahrhunderts auf das schließen kann, was sich in unserer Gesellschaft gerade verändert. Damals gab es in ganz Europa restaurative Tendenzen. Aber was heißt konservativ heute"

Zum ersten Mal inszeniert Michael Simon einen Text von Thomas Köck. Dafür hat er sich sehr lange mit Peter Handke und Elfriede Jelinek beschäftigt. Seine Inszenierung ihrer "Winterreise" war 2012 in Ingolstadt zu sehen. Jelinek produziert für die Bühne höchst komplexe gegenwartsanalytische Textflächen, die auf Figuren, Dialoge, eine klassische Dramaturgie verzichten. Auch Köck setzt auf sprachliche Verdichtung, schreibt darüber hinaus konsequent alles klein und ohne Punkt und Komma. "Jelinek auf Speed", urteilte eine Zeitung über die Uraufführung von "kudlich". "Interessanterweise sind es gerade österreichische Autoren, die sehr sprachgewaltig sind", sagt Michael Simon. "Im Grunde zeichnet sie alle aus, dass sie Texte schreiben, die eine Bearbeitung brauchen, um auf die Bühne zu kommen. Das unterscheidet sie von den klassischen Well-Made Plays, die auf dem Papier schon fertig komponiert sind. Autoren wie Jelinek und Köck sind eigentlich Materialanbieter. Sie gehen davon aus, dass wir als Theatermacher einen entscheidenden Anteil daran haben, dass es zu einer Aufführung kommt."

Entscheidend für den Regisseur war zunächst, die wichtigen Erzählstränge aus der verwobenen Struktur herauszuarbeiten: die Geschichte aus dem 19. Jahrhundert um Hans Kudlich auf der einen Seite, die (medien-)politische Gegenwart auf der anderen Seite. "Zwischen diesen zeitlichen Polen liegen ganz viele komische, absurde, tragische Situationen", erklärt Michael Simon. Eine trockene Geschichtsstunde wird der Abend also nicht. "Schon der Untertitel ,eine anachronistische Puppenschlacht €˜ gibt ja einen Hinweis auf das marionettenhafte, ausgestellte Spielen, das auch eine große theatralische Verführungsqualität hat."

Zentrales Element ist der Chor, der bei Michael Simon "Heimatchor" genannt wird. "Bei Köck ist er ein Chor der Identitären oder Bauern. Ein großer wichtiger Punkt bei uns ist: Wie Sprache neu gebraucht, man könnte auch sagen missbraucht wird. Wie verwendet die Politik Begriffe wie Volk oder Heimat? Wir haben inzwischen mit Horst Seehofer ja einen Innen- und Heimatminister. Wir fragen, was Sprache heutzutage leisten kann. Wir wollen, dass die Gesellschaft ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie wichtig so etwas ist. Sprache ist nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern auch ein Politikum, wie Worte gebraucht werden."

Und was soll der Zuschauer aus dem Abend mitnehmen? "Ich würde mir wünschen, dass man darüber nachdenkt, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen. Wir müssen uns verhalten, wir müssen Verantwortung übernehmen. Das ist nicht an eine politische Richtung gebunden. Das Problem ist, dass wir oft wegschauen. Dass wir sagen: Der Staat soll's machen, aber gleichzeitig wehren wir uns gegen eine Bevormundung. Ich möchte ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass wir nur gemeinsam Verantwortung übernehmen können."

"kudlich" hat morgen, Samstag, um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt Premiere. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.