Ingolstadt
Vom Wert der Dinge

Produktionen voller Witz mit überraschenden Formensprachen beim Theaterfestival "Horizonte": "TRASHedy" und "A Mano"

28.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:16 Uhr

Spannende Theaterformen zeigen die Kölner Performer in "TRASHedy" (oben) und Izaskun Fernèndez in "A Mano". - Foto: Freytag, Hanslmeier

Ingolstadt (DK) Wer hat meine Hose hergestellt? Sind Pappbecher besser als Plastikbecher? Können Tiere fühlen? Woher kommen eigentlich alle Teile, die in meinem Handy stecken? Wie alles mit allem zusammenhängt, erklärte Leandro Kees und seine Performing Group im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals "Horizonte", das noch bis Sonntag in Ingolstadt stattfindet. "TRASHedy" heißt der anspielungsreiche Titel.

Denn es geht sowohl um die Müllproblematik (englisch: "trash" = Müll) als auch um die Tragödie, die auf Englisch ausgesprochen so ähnlich klingt. Und diese "Abfall-Tragödie" hat es wirklich in sich, denn hier vereinen sich ernste Botschaft und gesellschaftliche Relevanz mit einem sprühenden Feuerwerk an künstlerischen Formen wie Tanz, Comic-Strip, Videokunst, Theater, Quizspiel. In einer klaren Schwarz-weiß-rot-Ästhetik. Und mit viel Witz.

Zwei Performer widmen sich dabei intensiv des komplexen Themas der ökologischen Intelligenz und streifen dabei Aspekte wie Fair Trade, Müll, Verantwortung, Globalisierung, Profit, Kinderarbeit, Konsumverhalten. Im Zentrum steht die These: Alles, was wir tun, hat eine Auswirkung - irgendwo. "Jeder Geldschein ist ein Weltschein: Diesen Satz haben wir bei der Beschäftigung mit dem Thema gelesen und er hat mir die Augen geöffnet. Es ist ein gutes Bild", erklärt Daniel Mathéus, der das Stück mit entwickelt hat und auch gemeinsam mit Julia Mota Carvalho im Kleinen Hauses für Zuschauer ab zwölf Jahren spielte.

Am Anfang stand der Gedanke, wie rasend schnell sich die Menschheit den Planeten untertan machte - obwohl der Mensch im Verhältnis zur Welt doch erst relativ kurz existiert. Und Bill Brysons Buch "Eine kurze Geschichte von fast allem", eine so lehrreiche wie komische Reise durch Raum und Zeit. Zunächst experimentierte die Compagnie aus Köln mit Texten aus diesem Buch, bevor sie sich für einen anderen Weg entschied.

Im Internet stießen die Theatermacher außerdem auf allerlei Erklärvideos, die auf animierten Zeichnungen basierten, und waren so begeistert, wie simpel sich Dinge erklären ließen - ganz ohne Sprache. So reifte der Entschluss, auch dieses Medium zu nutzen. Von Leandro Kees stammen die Comics, die Martin Rascher (auch zuständig für die Klangkompositionen) raffiniert animiert hat. Und die auf einen Blick komplizierte Vorgänge erklären (Nahrungsketten, Handelswege etc.). Der Clou: Die Performer spielen mit den Comic-Animationen, drücken auf gezeichnete Knöpfe, setzen Aktionen in Gang - rückwärts, vorwärts, Slow Motion, Fast Forward. Und immer wieder wird alles hinterfragt. Nicht die Botschaft (Tu was! Denk mit!), sondern die Form der Vermittlung.

Die Beschäftigung mit dem Thema hat auch die Spieler beeinflusst, die mit der Produktion "TRASHedy" weltweit unterwegs sind, vergangenes Jahr etwa in Indien, dieses Jahr noch in Korea und in Island. Und Daniel Mathéus weiß, dass es viele Widersprüche und vor allem keine einfachen Lösungen gibt. "Ich habe beispielsweise einen ganz tollen Versandhandel für Fair-Trade-Klamotten gefunden. Aber zum einen muss ich die im Internet bestellen - und zum anderen ist dann da wieder das Problem mit dem Verpackungsmüll. So ist das bei allem: Es ist kompliziert. Und man muss immer abwägen."

Auf eine ganz andere Reise nahm die spanische Compañía El Patio Kinder ab sechs Jahren mit. "A Mano" ("Von Hand") reisten mit einem Wunderkästchen an, das aussah wie eine kleine Kommode, das sich aber - klipp-klapp - in eine ganze Miniaturwelt verwandelt ließ: einen Trödelladen, eine Töpferei. Bei dieser Theaterform liegt der Reiz in der Fingerfertigkeit. Denn die beiden Spieler Julian Sèenz-Lopez und Izaskun Fernèndez machen nicht nur aus ihren Händen kleine lebendige Wesen, sondern formen aus Ton erst mal die Köpfe, mit denen ihre Figuren Geschichten erzählen. Etwa den kleinen Terrakotta-Helden, der irgendwann in dem Trödelladen landet, sein Dasein zwischen viel Nippes fristet und den Tag damit zubringt, verschiedene Fluchtmöglichkeiten (sogar mit einem Porzellanschwan) zu ersinnen. Dann verliebt er sich in eine tönerne Gefährtin, doch das Glück ist nicht von Dauer. Räumungsverkauf. Geschäftsaufgabe. Ende der Lovestory. Ein poetisches Stück über den Wert der Dinge. Theater zum Staunen. Am Ende gab's für jeden einen kleinen Klumpen Lehm - als Aufforderung zum Spiel.