Ingolstadt
Überraschende Schätze

"radikal analog" zeigt die vielseitige Gemäldesammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums

17.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:41 Uhr
Allegorie auf die Ansteckung von Syphilis: Von Christoph Schwarz (1548-1592) stammt das große Ölgemälde "Warnung vor der Venerischen Krankheit". −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Spritzen, Objekte zur Klinischen Chemie oder zur Geburtsheilkunde erwartet man im Bestand des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt. Weniger bekannt sind die 125 Porträts, Allegorien, Stillleben oder allerlei Ansichten der Anatomie.

Nun zeigt das Team um Direktorin Marion Ruisinger erstmals den gesamten Schatz aus dem Depot, präsentiert die ganze Gemäldesammlung des Museums, die in den vergangenen 45 Jahren seit der Gründung des Museums durch Schenkungen von Privatpersonen, Ankäufe des Museums oder des Fördervereins oder bei Versteigerungen zusammengetragen wurde.

Zu sehen ist eine beachtliche Fülle an Werken durch fünf Jahrhunderte, eine große Vielfalt an teils auch kunsthistorisch beachtlichen Bildern, die in verschiedenen Zusammenhängen das weite Feld der Medizin, der Wissenschaft und der Pflege im Wandel der Zeit dokumentieren oder auf die Geschichte des Museums verweisen: Arztbesuche, Szenen im Wartezimmer, in einer Baderstube oder am Sterbebett, kostbare Votivbilder, eine Chirurgie-Vorlesung oder eine "Pestfahne". Es sind aber auch Werke, die in ihrer Kleinteiligkeit, in ihrer Vieldeutigkeit und mancher Rätselhaftigkeit Geschichten erzählen oder entdeckt werden wollen.

Und das ist auch der Ansatz der Ausstellungsmacher: Sie wollen den Besucher animieren, vor den Originalen genau hinzuschauen, über die Bildinhalte ins Gespräch zu kommen. Die Ausstellung "radikal analog" soll "ein Gegenangebot zur hektischen Welt der virtuellen Bilder" machen, so Direktorin Ruisinger. Genau hinschauen statt schnell auf den Smartphones (weiter)wischen.

Und es gibt viel Gesprächsstoff: über die diversen Porträts bedeutender Mediziner und Wissenschaftler, über das wunderbare Momento Mori um 1842, das einen Schädel - halb Totenkopf, halb Gesicht einer jungen Frau - mit einer Sanduhr zeigt, über Darstellungen eines Aderlasses oder über die heilige Apollonia, Schutzpatronin der Zahnärzte und Zahnkranken, und passend dazu ein wunderbares Trompe l'Oeil von Ende des 17. Jahrhunderts: ein Reklamezettel eines Zahnreißers auf einer Bretterwand.

Prächtig ist das großformatige Ölgemälde von Christoph Schwarz (1548-1592), eine Allegorie auf die Ansteckung durch die Syphilis: mit dem Arzt Girolamo Fracastoro, einem Venusbrunnen, dessen Wasser durch die Brüste der Venus und weiter unter den Beinen einer venezianischen Kurtisane hindurch läuft, von einem Hund verunreinigt und schließlich vom Hirtenknabe Syphilus durstig getrunken wird. Vertreten in der Sammlung sind auch Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus Ingolstadt und der Region. Etwa von Gerda Biernath, von Ernst Arnold Bauer-Agricola oder Kurt Schnurer (1920-2007).

Den Blick auf die Patienten zu lenken, ist ein Anliegen von Direktorin Ruisinger. Deswegen hat sie die Votivtafeln von Ende des 18. Jahrhunderts gekauft, die aus Dankbarkeit für die Befreiung von Krankheit oder körperlichem Leid gestiftet wurden. Ruisinger schätzt aber auch die Aquarelle, etwa das Porträt Carl Spitzwegs von dessen Arzt Max B. Helferich oder die Krankenporträts von Carl Friedrich Sandhaas (1801-1859).

Nicht fehlen darf in der Sammlung eine Erinnerung an die Mitbegründerin und langjährige und hoch geschätzte Direktorin des Museums. Christa Habrich ist als Porträt des englischen Malers Charles N. White zu sehen, das der Förderverein 2008 zu ihrem Abschied anfertigen ließ.

Radikal analog, bis 8. September 2019. Di bis So von 10 bis 17 Uhr. Weitere Infos unter www.dmm-ingolstadt.de.
 

RAHMENPROGRAMM

21 Oktober, 15 bis 16 Uhr:  Führung durch die Ausstellung mit der Kunsthistorikerin Maren Biederbick.

 23. Oktober, 12.30 bis 13  Uhr: Mittagsvisite: Ölgemälde mit Uhrwerk,  Marion Ruisinger
 25. Oktober,  16 bis  17   Uhr: Führung durch die Ausstellung mit  Marion Ruisinger und der Gebärdensprachdolmetscherin Ronja Kunze.

7. November,  16 bis  17  Uhr: Führung mit  Marion Ruisinger.

18. November,  15 bis 16  Uhr: Führung mit der Kunsthistorikerin Maren Biederbick.

26. November, 10 bis 17 Uhr:  Workshop Kunstvermittlung. Eine Veranstaltung der Bayerischen Museumsakademie im DMMI mit der Kunsthistorikerin  Astrid Brosch. Begrenzte Teilnehmerzahl, Anmeldung unter www.bayerische-museumsakademie.de.

29. November, 14 bis  16.30 Uhr,  Lehrerinnen-Fortbildung.  Anmeldung   über das Portal Fortbildung in bayerischen Schulen.DK

Katrin Fehr