Ingolstadt
Sich selbst neu erfinden

Drei Tage, fünf Gruppen, sechs Workshops: Das 36. Schultheaterfestival in Ingolstadt stand unter dem Motto "Ein Stück vom Glück"

11.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr

Spannende Aufführungen aus Eichstätt und Mainburg: „Der Gott des Gemetzels“ (oben), „Die Mausefalle“ (unten links) und „Die Physiker“ (unten rechts) - Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) „Don’t Worry, Be Happy“, singt Tobi McFerrin Hofmann am Eröffnungstag des Schultheaterfestivals – und erntet dafür einen Sturm der Begeisterung. Die begleitende Rhythmussektion singt er selbst ein – mittels Effektgerät, Echo und Endlosschleife. „Ein Stück vom Glück“ hat sich das 36. Schultheaterfestival des Stadttheaters Ingolstadt auf die Fahnen geschrieben. Drei Tage lang durften rund 75 Schüler aus Ingolstadt, Eichstätt und Mainburg Theaterglück erleben. Sie spielten zusammen, lernten zusammen in den unterschiedlichsten Workshops, aßen zusammen. Und am Ende gab es eine große Party mit Musik und Feuershow.

„Das Festival hat Tradition“, sagt Intendant Knut Weber. „Und wir führen diese Tradition gern fort, weil das Theaterspielen ein ganz wichtiger Baustein für die Entwicklung einer Persönlichkeit ist.“ Denkt er vielleicht auch an sein Publikum von morgen? „Wenn man Kinder und Jugendliche nicht ganz früh abholt, dann wird man sie auch später nicht mehr erreichen“, sagt Knut Weber. „Das steht aber für mich nicht im Vordergrund. Für mich ist der entscheidende Punkt, dass die Jugendlichen lernen, sich selbst künstlerisch auszudrücken, über Dinge zu sprechen, die sie umtreiben.“ Er selbst hat übrigens auch Schultheater gespielt – an Andri aus Max Frischs „Andorra“ kann er sich gut erinnern. Und an den Sohn aus Brechts Schauspiel „Die Mutter“ – „das hat mich dann auch zum Theater gebracht“.

Drei Tage lang hat er das Große Haus für das Festival zur Verfügung gestellt. Und das, sagt Organisatorin Nicole Titus, die seit Oktober als Theaterpädagogin in Ingolstadt arbeitet, zeige auch den Stellenwert, den das Stadttheater dem Schultheater einräumt: große Bühne, technische Unterstützung. „Junge Menschen sollen sich eingeladen fühlen, ins Theater zu kommen, und sehen, dass sie hier mitgestalten können.“

Fünf Schultheatergruppen hatten sich in diesem Jahr beworben – nur aus Gymnasien. Vorteil für die Organisatoren: „Wir konnten uns auf die Altersgruppe der 13- bis 18-Jährigen konzentrieren. Das heißt, es gab zwischen den Teilnehmern kein großes Gefälle.“ Für das Festival wurden die Schüler vom Unterricht freigestellt. Denn die einzelnen Gruppen standen nicht nur selbst auf der Bühne, sie waren auch Publikum bei den anderen Inszenierungen. Den Anfang machten vier ehemalige Mitglieder der Theater AG des Eichstätter Willibald-Gymnasiums mit Yasmina Rezas Erfolgsstück „Der Gott des Gemetzels“. Unterstützt wurden sie dabei von Lehrerin Almut Weyergraf, die sich auch mit ihrer aktuellen Theatergruppe vom Willibald-Gymnasium und Agatha Christies „Mausefalle“ angemeldet hatte. Das Gnadenthal-Gymnasium hatte Shakespeares „Sturm“ im Programm. Die Theatergruppe Oberstufe des Reuchlin-Gymnasiums transformierte Wedekinds „Frühlingserwachen“ ins Heute. Und die Schauspielgruppe des Gabelsberger-Gym-nasiums kam mit einem echten Klassiker (des Schultheaters) nach Ingolstadt: „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt.

Drei Tage Programm von 10 bis 22 Uhr mit gemeinsamem Mittagessen – und viel Theater (der geplante Besuch des Freilichtmusicals „Der Mann von La Mancha“ fiel leider ins Wasser). Während die Mainburger Gruppe die gut 40 Kilometer jeden Tag wieder nach Hause fuhren, campierten die Eichstätter Schüler während des Festivals in einer Schulturnhalle. Nach den Vorstellungen gab es Gesprächsrunden, wo Stück und Darstellung unter die Lupe genommen wurden. Und es gab sechs Workshops. Robert Putzinger bot einen Schauspielworkshop an. Yahsmine Maçaira unterrichtete zeitgenössischen Tanz. Stefan Kern gab einen Rap-workshop. Anjo Czernich erarbeitete mit seinen Schülern eine Bühnenkampf-Choreografie und in Olivia Wendts Gesangworkshop drehte sich alles um Stimme, Stimmaufbau und die Präsentation eines Liedes auf der Bühne. Und auch die Spielleiter lernten etwas: In Christoph Daigls praxisorientiertem Workshop ging es um Stückauswahl, Rollenverteilung, Ausstattungskonzepte und Regie.

Warum machen sie eigentlich Schultheater – freiwillig, trotz G8-Belastung? „Der große Reiz ist, Schüler in einer ganz anderen Art und Weise zu erleben“, sagt Almut Weyergraf, seit vielen Jahren Gast des Festivals. „Theater hat einen ganz besonderen Reichtum, Kinder über sich selbst hinauswachsen zu lassen. Oft entpuppen sich auch Schüler, die im Unterricht unscheinbar sind, als große Talente.“

Theaterpädagogin Nicole Titus findet es wichtig, das Schultheaterfestival im Theater steigen zu lassen: „In der Schule bleiben die Schüler in ihren Rollen, die sie tagsüber auch einnehmen, in einem fremden Raum sind sie erst mal fremd – und können sich neu erfinden.“