Ingolstadt
Paganini-Capriccio auf der Flöte

31.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:08 Uhr

Umjubelte Flötentöne: Jasmine Choi spielt das Flötenkonzert von Jacque Ibert, Benjamin Shwartz dirigiert - Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Ein wirklich gelungenes Konzert benötigt eine Sensation. Beim ersten Abonnementkonzert des Georgischen Kammerorchesters unter der Leitung seines neuen Chefs Benjamin Shwartz war das die Flötistin Jasmine Choi.

Die 31-Jährige ist eine makellose Erscheinung auf der Bühne, eine charismatische Künstlerin, für die es keine künstlerischen und technischen Grenzen zu geben scheint. Eine Göttin der Flöte. Choi hatte das berühmte Flötenkonzert von Jacques Ibert auf das Programm gesetzt – und verblüffte: durch ihren stahlharten, sonoren Ton, selbst in den tiefen Lagen, ihre ungemein geradlinige Art zu spielen, ihr Temperament. Unglaublich, wie souverän sie den schnellen Kopfsatz bewältigte, mit welch warmem, ausdrucksvollem, aber niemals unruhig flackerndem Ton sie die lang gezogenen Melodien des langsamen Satzes interpretierte, und welchen schalkhaften Humor sie beim schnellen Finale an den Tag legte. Und die Georgier begleiteten das Bläserphänomen energiegeladen und äußerst präsent. Aber das war noch nicht genug. Als Zugabe spielte Choi eines der schwersten Violinstücke überhaupt, das Capriccio Nr. 24 von Niccolò Paganini – auf der Flöte. Eigentlich misslingen solche Transkriptionen allzu oft. Aber Jasmine Choi war in der Lage, die circensische Virtuosität dieses Stücks darzustellen, bis hin zu den Pizzicato-Passagen, die sie mit einer spezifischen Staccato-Technik imitierte. Ein überwältigender Auftritt!

Begonnen hatte das Konzert mit einem sehr komplexen Stück. Mit Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“ wollte Shwartz offenbar den programmatischen roten Faden dieser Saison aufnehmen, bei der es um Musik geht, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzt. Ravel hatte seine Suite zum Gedenken an sechs gefallene Kameraden geschrieben. Aber das Werk beinhaltet weit mehr: Es spielt auf den Komponisten François Couperin (1688–1733) und das 18. Jahrhundert an. Es ist aber auch ein impressionistisches Werk mit einer spezifischen Klanglichkeit. Für jeden Dirigenten, für jedes Orchester sind so viele Bezüge eigentlich eine Überforderung. Benjamin Shwartz konzentrierte sich bei seiner Deutung offenbar auf den modernen französischen Charakter des Werks. Besonders in den ersten beiden Sätzen formte er ein enorm wendiges, reaktionsschnelles, gut durchhörbares Klangbild.

Allerdings wirkte gerade der Kopfsatz mit seinen schwierigen Bläserpassagen zu unruhig, hatte zu wenig diesen spezifischen schwebenden Charakter, der typisch ist für die französische Musik. Dem zweiten Satz wiederum fehlte es ein wenig an Farbe, die fast schon karikierende Anspielung an die ritterlich wirkende barocke Forlane wirkte zu schwach ausgeprägt. Beim Menuett entwickelte der Amerikaner eine feine, schwelgerische Melancholie und das Rigaudon leitete er mit mitreißender Spiellust.

Mit ähnlichem Elan ging Shwartz die „Schottische“ Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy an, mit der das Konzert ausklang. Hier zeigte sich Shwartz als junger Wilder, als Temperamentsbolzen. Nichts schien er so zu schätzen wie die gewaltigen Kraftentladungen, etwa im Kopfsatz, bei denen er regelmäßig das Tempo anzog und voranstürmte. Shwartz ließ es donnern und krachen, sodass manche Schwächen bei den Blechbläsern, einige Ungenauigkeiten bei den Streichern wahrscheinlich kaum weiter Beachtung fanden. Aber warum nicht. Ein emotionsgeladenes symphonisches Feuerwerk reißt immer mit. Bravo-Rufe und freundlicher Beifall.