Ingolstadt
Lauter Fragen, keine Antworten

Tim Etchells "Quizoola!" ist eine Mischung aus Talkshow, Verhör und Spiel Premiere am Samstag in der Neuen Welt

10.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

Das nächste Downtown-Projekt des Stadttheaters findet in der Kleinkunstbühne Neue Welt statt: "Quizoola!" hat am Samstagabend mit fünf Schauspielern Premiere. - Fotos: Kügel, Olah

Ingolstadt (DK) Keine Figuren, nur verschiedene Rollen; kein Text, nur Fragen; keine Regieanweisungen, nur Spielregeln. Eine Talkshow. Ein Verhör. Ein Duell. Mit "Quizoola!" hat Tim Etchells, Autor und Regisseur der britischen Performance-Gruppe "Forced Entertainment", 1996 ein spannendes Format vorgelegt: Zwei Teams peinigen sich gegenseitig mit Hunderten von Fragen. Mit banalen wie "Kannst du kochen", skurrilen wie "Gefällt dir das Geräusch von Staubsaugern", philosophischen wie "Wer macht die Stille" oder wissenschaftlichen wie "Was ist das Ohmsche Gesetz". Bei den improvisierten Antworten dürfen die Spieler lügen, dass sich die Balken biegen, oder brav bei der Wahrheit bleiben. Wie die Darsteller in Echtzeit um die Beantwortung der Fragen ringen, ist ein wesentlicher Teil des Stücks. "Wie Theatersport - nur fürs Hirn", so beschreibt es Donald Berkenhoff (kleines Foto), Chefdramaturg und Regisseur am Stadttheater Ingolstadt. Vor allem aber ist es "ein Experiment". Premiere ist am Samstag in der Neuen Welt.

Herr Berkenhoff, was ist das Besondere an "Quizoola!"?

Donald Berkenhoff: Das Spannende ist das Balancieren zwischen Fiktion und Realität - und die Grauzone dazwischen. Jeder Befragte kann lügen, dass sich die Balken biegen - aber kann natürlich auch auffliegen. "Quizoola!" ist eine unglaublich gute Übung zum Improvisieren und Spontansein. Es geht ums Geschichten erzählen. Und zwar nicht um solche, die vorgegeben werden, sondern solche, die im Moment erfunden werden.

Wie sind Sie auf das Stück gestoßen?

Berkenhoff: Ich kenne "Forced Entertainment", die dieses Format entwickelt haben. Das sind die großen Spontanerzähler des internationalen Theaters im Festivalzirkus. Die spielen auch mal zwölf Stunden "Quizoola!", erzählen auf der Bühne Geschichten von Königinnen und Königen und schaffen es dabei, sich gegenseitig die Pointen zu klauen und ihre Geschichten kaputtzumachen. Das ist sehr spannend. "Forced Entertainmant" arbeitet gern im Grenzbereich. Man weiß nie: Ist das jetzt sehr persönlich - oder einfach nur gut gelogen? Es ist eine Form von Theatersport, aber fürs Hirn.

 

Es changiert zwischen Duell und Talk-Show. Erklären Sie uns kurz die Regeln.

Berkenhoff: Es gibt unterschiedliche Versionen. Die Brutalversion von "Forced Entertainment" geht über sechs, sieben Stunden - bei nur einem Interviewpartner. Wir haben uns zum Start für eine sanfte Version entschieden. Es gibt einen, der Fragen stellt, und vier Spieler. Jeder Befragte hat ungefähr 20 bis 25 Minuten zur Verfügung. Man kann auch abbrechen. Das heißt, es gibt eine Reservebank. Aber: Es gibt auch einen Mechanismus, der das Verhältnis plötzlich umdreht, so dass der Antwortgeber die Rolle des Fragers einnimmt. Wir wollen es erst mal ausprobieren. Unsere Schauspieler haben das noch nie gemacht. Wenn der Testlauf erfolgreich ist, werden wir das Verfahren verschärfen - und irgendwann vielleicht einen Sechs-Stunden-Marathon anbieten.

Der Autor selbst empfiehlt für die Aufführung einen Ort außerhalb des Theaters - einen Keller, Umkleideräume. Sie spielen es in der Neuen Welt.

Berkenhoff: Ich fand auch, dass es einen anderen Raum als das Theater braucht - und wollte ein auf diese kabarettistische Talkshow-Ebene gehen. Die Neue Welt bot sich an.

 

Wie kommt das Publikum ins Spiel? Legen die fünf auf der Bühne einfach los?

Berkenhoff: Die Spielsituation wird vorher erklärt. Aber es werden natürlich keine Fragen aus dem Publikum zugelassen.

 

Es gibt Hunderte von Fragen. Haben Sie ein paar Favoriten?

Berkenhoff: Die Fragen sind sehr raffiniert. Ab und zu kommen ein paar harmlose Wissensfragen - wie bei einem Quiz. Aber es gibt auch solche wie "Wie siehst du die Welt" oder "Hast du Angst vor dem Sterben" oder "Wie stellt das Gehirn Träume her". Das sind schon meine Lieblingsfragen. Bei manchen Antworten muss man auch sehr weit ausholen. Es gibt zum Beispiel Fragen über Bäume, auf die der britische Performer von "Forced Entertainment" 20 Minuten lang eine Geschichte der Welt entfaltet hat, die zwar hanebüchen war, aber in sich so logisch, dass ich mir dachte: Das hätte ich gern als Buch.

 

Es ist eine Performance von beliebiger Dauer, für jeden Schauplatz und eine freie Anzahl von Darstellern. Sie spielen es mit fünf. Warum?

Berkenhoff: Es ist ein Format, zu dem man niemanden zwingen kann. Das muss man wollen. Deshalb habe ich erst mal einen Zettel ausgelegt, um zu sehen, wer sich dafür interessiert. Ein paar haben sofort zugesagt. Manche sind skeptisch, die wollen erst mal gucken. Am Samstag sind dabei: Teresa Trauth, Maik Rogge, Jan Gebauer, Sascha Römisch und Enrico Spohn.

 

Wird das geprobt?

Berkenhoff: Es wird strukturiert. Aber die Befragten kennen die Fragen nicht. Nur der Frager, in unserem Fall Sascha Römisch, kennt sie. Er muss sich vorbereiten und wissen, wo die Haken sind. Aber man muss natürlich ein paar Dinge abmachen: Wenn es hängt, wenn es langweilig wird, dann muss man unterbrechen. Da geht es einfach um Spielregeln. Aber es ist wirklich ein Experiment für uns alle.

 

Die Fragen stellte Anja Witzke.

 

Premiere ist am 13. Januar um 20 Uhr in der Neuen Welt. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.