Ingolstadt
Kunst des Plattenbaus

Das Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt zeigt das modulare Objekt "construct_unfinished" von Gerold Tagwerker

19.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:44 Uhr
Gerold Tagwerker steht inmitten seines Werkes "construct_unfinished" im Museum für Konkrete Kunst. −Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Diese Kunst ist ein Hindernis. Der Besucher betritt das Museum für Konkrete Kunst, er geht ins Foyer und kommt nicht weiter. Denn dort steht "construct_unfinished" von Gerold Tagwerker (Jahrgang 1965). Quadratische Flächen, ineinandergesteckt, undurchschaubar, chaotisch, irritierend, verstellen den Blick.

Ein Irrgarten, durch den man erst allmählich wie durch eine Schleuse einen Weg in den hinteren Teil des Museumsraumes findet.

Man kommt nicht daran vorbei. Man muss hindurchgehen. Ein ungewöhnlicher Zugang zur Kunst. Die meisten Kunstwerke sind abgeschlossen, sie führen in eine andere Welt, die streng von der Welt des Betrachters getrennt ist.

All das trifft auf Tagwerkers Objekt nicht zu. Es ist prinzipiell unvollendet. Und es bezieht den Betrachter so weit es geht mit ins Geschehen ein - allein schon dadurch, dass er sich ständig in dem labyrinthischen Gebilde spiegelt. Eigentlich wirkt es so interaktiv, so spielerisch wie Lego. Und genau darauf beruht Tagwerkers Ansatz auch. Im Gespräch erklärt er, dass er sich bei "construct_unfinished" auf ein Kinderspiel, das er in den 1970er-Jahren kennengelernt hat, an dessen Name er sich aber nicht mehr erinnern kann, bezieht: Spielkarten, die ineinander gesteckt werden, mit denen man architektonische Konstruktionen bauen kann, die alle auf den gleichen formalen Prinzipien beruhen, aber stets unterschiedlich aussehen. Tagwerker hat diese Spielkarten lediglich vergrößert. Die quadratischen Sperrholzplatten sind nun 19 Kilogramm schwer und einseitig mit Spiegelfolie versehen. Prinzipiell lassen sich nahezu unbegrenzt viele verschiedene Raumgebilde mit den Quadraten konstruieren. Es gibt kein richtig und kein falsch in dieser Plattenwelt und vor allem nichts Endgültiges. Sie ist prinzipiell offen. Das Strukturprinzip der Modulbauweise erinnert an die Bauhausarchitektur der 70er-Jahre. Auch hier wiederholen sich immer wieder die gleichen, meist sehr simplen Formprinzipien, um als Ganzes durchaus ungewöhnliche Bauwerke zu bilden. Um diesen Eindruck zu verstärken, präsentiert der österreichische Künstler im gleichen Raum im Museum auch eine Serie seiner Architekturfotografien. Tagwerker hängt die Bilder eines Augsburger Hochhauses allerdings nicht auf, sondern lehnt sie gegen die Wand, sich leicht überlappend. Dadurch bekommen die Fotografien eine fast skulpturale Räumlichkeit.

Wie aufeinander getürmte Würfel stehen einige altmodische Röhrenbildschirme daneben. Gezeigt werden Videos von Kindern, die Wackelturm spielen. Auch hier gelten die Prinzipien: Konstruktion und Dekonstruktion, Spiel und Ordnung.

Aber Tagwerker geht in der Ausstellung noch einen Schritt weiter. Besucher können sich auch selber im künstlerischen Schöpfungsprozess versuchen. Neben dem großen Kunstwerk liegen kleinere quadratische Platten, die beliebig ineinander gesteckt werden und somit den Kunstraum erweitern können. Eine weitere Kunstwelt kann entstehen, aus Holzmodulen und Spielregeln, Gesetzen und viel Freiheit.

Die Schau "construct_unfinished" wird an diesem Samstag, 19 Uhr, im Museum für Konkrete Kunst eröffnet. Sie läuft noch bis 3. März 2019.

 

Jesko Schulze-Reimpell