Ingolstadt
Kunst aus der Steckdose

26.03.2014 | Stand 02.12.2020, 22:54 Uhr

Wie wenn Beton aufschreit: Sophie Erlunds präsentiert eine Klangskulptur im Ingolstädter Tongewölbe T25 - Foto: Ebeling

Ingolstadt (DK) In diesen Tagen hat das Tongewölbe seinen Namen redlich verdient. Die ehemalige Töpferei in der Ingolstädter Innenstadt ist heute Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst. Derzeit ist ein Werk aus Klängen zu sehen, wobei hören wohl das bessere Verb wäre.

Die Arbeit „This House is my Body“ besteht aus sechs schwarzen Quadraten an der Wand und einem dunklen Klotz auf dem Boden. Zeitgenössische Kunst mag sich damit schon genügen, doch die Künstlerin Sophie Erlund aus Dänemark wollte mehr.

Durch Strom aus der Steckdose werden die schwarzen Körper zum Leben erweckt und was vorher wie ein plumpes Kastensammelsurium schien, sind jetzt Lautsprecher und Subwoofer. Mal sind die Klänge pfeifend, mal hämmernd. In der einen Ecke knarrt es, in der anderen heult es auf. Für die Arbeit nahm die Künstlerin Erlund drei Jahre lang Abrissgeräusche von verschiedenen öffentlichen und privaten Gebäuden auf. Beim Niedergang des Berliner Palasts der Republik war sie auch dabei.

„Es ist, als wenn der Beton aufschreit“, sagt Hobby-Sammler Andreas Wittmann. Dem gelernten Bauingenieur gehört das Tongewölbe. Meist kauft er Werke von zeitgenössischen Künstlern auf und zeigt sie in seinem Ausstellungsraum. „Die Arbeit von Sophie ist diesmal eine Leihgabe von der PSM Galerie in Berlin“, sagt Wittmann. Manchmal seien Werke schwer erschwinglich, da sei eine Leihgabe eine gute Alternative. Erlund selbst betrachtet ihre Arbeit wie eine Soundskulptur. Ihr Objekt hat eine Länge von circa 17 Minuten, dann fällt es ein und das Tongewölbe wird wieder still. Die Architektur vergleicht sie mit dem menschlichen Körper, was den Titel der Arbeit „This House is my Body“ erklärt.

Unweit von Ingolstadt entfernt verarbeitet der US-amerikanische Künstler Matthew Barney im Münchner Haus der Kunst derzeit ein ähnliches Thema. In „River of Fundament“ beschreibt Barney den Tod eines Menschen und lässt parallel dazu ein Auto verschrotten. Der Vergleich Mensch–Gegenstand scheint derzeit unter zeitgenössischen Künstlern Mode zu sein. Ebenso der Niedergang. Nur, dass Barney seine Motive wiederauferstehen lässt, Erlund sieht das düsterer.

„This House is my Body“ wirkt wie eine Sinfonie in vier Sätzen. Manchmal könnte man meinen, eine Querflöte oder einen Trommelwirbel zu hören. Zwischendurch dröhnt ein Horn – als Warngeräusch prophezeit es den bevorstehenden Zusammensturz. Dabei sind es „nur“ eine Säge, die den Beton durchschneidet, und eine Abrissbirne, die die Wände zertrümmert.

Die in Berlin lebende Künstlerin habe dafür ein ganzes Jahr Kurse in Kompositionstechnik besucht, erzählt der Sammler Wittmann. Die Lautsprecher sind Einzelanfertigungen aus den USA. Zwischendurch wurde das Werk schon auf der Biennale in Marrakesch gezeigt. Jetzt steht es in Ingolstadt. In wenigen Monaten reist es für ein Festival weiter ins US-amerikanische Minneapolis. Dorthin, wo die Lautsprecher ursprünglich herkommen. So wird die Soundskulptur doch wieder geboren – nur auf ihre Art, durch die Steckdose.

 

Tongewölbe T25, Theresienstraße 25 im Rückgebäude, „This House is my Body“ von Sophie Erlund, noch bis 12. April, immer samstags zwischen 16 und 18 Uhr und nach Vereinbarung.