Ingolstadt
Kaffeehausmomente

Sascha Fersch und Ferdinand Schmidt-Modrow im Altstadttheater

11.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr

Musik und Gedichte präsentierten Ferdinand Schmidt-Modrow (links) und Sascha Fersch in Ingolstadt. - Foto: Weinretter

Ingolstadt (DK) Nette Idee: Da möchte der inzwischen in München lebende Dichter Sascha Fersch aus seinen Werken lesen, und damit das nicht vielleicht eintönig wird, holt er sich einen dazu, der solche Gedichte auch ausdrucksstark vortragen kann: den in Waidhofen bei Schrobenhausen aufgewachsenen Schauspieler Ferdinand Schmidt-Modrow. Dass die beiden langjährige Freunde sind, die sich auf der Bühne gegenseitig hochnehmen, schadet da natürlich nicht, ganz im Gegenteil: In der heimeligen Atmosphäre des Ingolstädter Altstadttheaters fällt schnell die unsichtbare Schranke zwischen Künstler und Publikum, was schon mal nicht die schlechteste Voraussetzung für einen unterhaltsamen Abend ist.

Zuerst ist da aber nur die kleine Bühne. Ein sehr altmodisches Sofa steht drauf, ein Stuhl, ein Tisch. Man mag dabei an eines dieser Kaffeehäuser denken, wie es sie früher öfter gab, als die Menschen noch Zeit hatten, sich einfach hinzusetzen, Leute zu beobachten und dann vielleicht ein Gedicht darüber zu schreiben. So, wie das Sascha Fersch schon zu Schulzeiten in Ingolstadt gerne gemacht hat. Jedenfalls erzählt er das nachher. Erst einmal sind neben der Möblierung nur eine Gitarre und eine Ukulele auf der Bühne zu sehen. Und wer nun die richtigen Schlussfolgerungen zieht - Ukulele, Ferdinand Schmidt-Modrow - dem geht vielleicht ein "Hossa! El Marco! Hossa!" durch den Kopf.

Ja genau, dieser Ferdinand Schmidt-Modrow, der ein paar Tage zuvor noch beim Singspiel am Nockherberg auf der großen Bühne stand und ansonsten aus bayerischen Filmen wie "Beste Zeit" und inzwischen vor allem der Endlos-Seifenoper "Dahoam is Dahoam" bekannt ist, unterstützt seinen Freund Sascha Fersch nicht nur beim Vortragen seiner Gedichte, sondern auch, indem er mit ihm musiziert. Wunderbar abwechslungsreich ist das dann. Während Ferschs Poesie sich deutlich an den Vorbildern Ringelnatz, Heinz Erhardt, Robert Gernhardt orientiert und humorvoll auf den Alltag blickt, darf's zur Gitarren- und Ukulelenbegleitung auch gerne mal nachdenklicher werden. Dabei erinnert Fersch dann stimmlich an Reinhard Mey, von dem er auch "Ich wollte wie Orpheus singen" spielt, als einzige Fremdkomposition des Abends.

Sascha Fersch ist ein aufmerksamer Beobachter des Lebens. Nicht nur seines eigenen, denn er nimmt auch gerne mal ungewöhnliche Perspektiven ein. Die der Abfalltonne zum Beispiel, die einfach zu wenig Beachtung erhält und deshalb am Schluss gesteht: "Ich bin depressiv." Und immer wieder zieht es ihn ins Café. Sogar den Sensenmann trifft er da. Der Tod, dem einer der Blöcke des Abends gewidmet ist, stellt für Fersch kein trauriges Thema da, er gehört einfach zum Leben dazu, man muss ihn mit (morbidem) Humor nehmen. Wenn man dann noch das allgegenwärtige Kaffeehaus dazunimmt, ist das eine geradezu wienerische Weltsicht.

Zum Schluss darf Ferdinand Schmidt-Modrow noch einmal sein ganzes Können zeigen: Für den Monolog einer Eintagsfliege überlässt Fersch seinem Freund die Bühne und sieht ihm aus dem Publikum zu. Wenn auch vorher vieles sympathisch improvisiert gewirkt hat - da vergisst Fersch den Text eines seiner Lieder, bis ihm aus dem offenbar durchaus werkkundigen Publikum souffliert wird -, so sitzt hier jedes Wort, jede Betonung, jede Geste, wenn Schmidt-Modrow als Fliege, der nur wenige Stunden auf Erden vergönnt sind, sein Herz ausschüttet: "Die Liebe meines Lebens war ein One-Night-Stand." Wollen wir hoffen, dass der Kombination Fersch/Schmidt-Modrow eine längere Lebensdauer beschieden ist.