Ingolstadt
Spiel mit Stimmungen und Stilen

Ingolstädter Jazztage: Rebekka Bakken begeistert in der Halle neun

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr

Charismatische Sängerin: Rebekka Bakken bei ihrem Auftritt in der Halle neun in Ingolstadt. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Sie bezirzt, sie betört, sie ist trotzig und laut, sie ist souverän und witzig, sie ist gewinnend - eine begnadete, dem Publikum stets zugewandte Entertainerin und mit eben all diesen Fähigkeiten eine faszinierende Sängerin und Musikerin. Rebekka Bakken war wieder einmal da.

Zehn Jahre soll es her sein, wie ihr aus den vollen Reihen auf ihre Frage jemand zuruft. Sie mag es kaum glauben. Alle hätten sich so gut gehalten, sagt sie. - Sie vor allem, denken wohl viele. Tatsächlich sind es sogar zwei Jahre mehr. Bei den Künstlerinnentagen 2005 trat die schöne Norwegerin mit der unverwechselbaren Stimme damals im Festsaal in Ingolstadt auf, drei Jahre zuvor erspielte sie sich eine Fangemeinde mit Wolfgang Muthspiel bei einer der Jazzpartys im NH Hotel. Ein Jahr später startete sie mit ihrem Solo-Debütalbum "The Art of How to Fall" ihre steile Karriere.

Nun steht sie im Rahmen der Ingolstädter Jazztage in der Halle neun auf der Bühne. Blick zurück. Blick nach vorne. Auch musikalisch ist das, was die 47-Jährige und ihre spiel- und experimentierfreudige Band bieten, so etwas wie eine persönliche Zwischenbilanz, eine musikalische Werkschau. Bakken setzt Erinnerungspunkte im biografischen Koordinatensystem. Passend zu ihrer aktuellen CD, die "Most Personal" heißt.

Ja, die Zeit. Rebekka Bakken steigt mit einem stillen Stück von Tom Waits in ihr Programm ein. Mit ihrer CD "Little Drop Of Poison" hatte sie 2014 den Songs des musikalischen Raubeins, des knorrigen Barden, eine neue Seite abgewonnen. Während sie nun also in "Time" davon singt, dass es Zeit wäre zu lieben, klappern als Begleitmusik zu ihrem intensiven Gesang und Spiel auf dem Flügel die Gläser und Flaschen in der Bar im hinteren Teil der Halle. Nicht nur zum stimmungsvollen Eröffnungslied, sondern immer wieder akustische Irritation bei den ruhigen und tragenden Stücken.

Eben die Balladen machen einen Großteil des Konzerts aus, bieten der charismatischen Sängerin mit der modulationsreichen und changierenden Drei-Oktaven-Stimme den Anlass für alle Tiefen und Höhen. Mal hell und klar, mal verrucht und rau. Gar sakral und gleichermaßen - ein wenig allzu - hymnisch wird sie, wenn sie das norwegische Kirchenlied "Korset vil jeg aldri svike" anstimmt.

Ein reduziertes Kleinod ist ihre Version von "Der Schnee draußen schmilzt" von Ludwig Hirsch. Die Nomadin, die sie Jahre war, hat auch in Wien gelebt. Das Stück ist eine Hommage an den österreichischen Liedermacher, mit dem sie 2006 eng zusammengearbeitet hat. Zu Tränen rührt sie aber auch mit dem Song "Welcome Home", den sie ihrer Mutter gewidmet hat. Überhaupt trifft Rebekka Bakken nicht nur musikalisch den Ton, sondern findet in bester Singer/Songgwriter-Tradition poetische und schnörkellose Bilder über das Leben in all seinen Facetten.

Doch sie und ihre Musiker können auch anders: zügig, mit drängendem und lautem Sound. Etwa "Didn't I", eine steigernde Performance, auch für Kjell Harald Litangen an der Gitarre, Per Mathisen am Bass und Rune Arnesen an den Drums. Rebekka Bakkens Spiel mit Stimmungen und Stilen, mit Tempo und Tonart ist ihr Markenzeichen. Mal werden jazzige Einflüsse weniger, mal wildert sie im Country, mal verbindet sie Folk und Pop, mal lässt sie sich von Soul und Blues inspirieren. Die Wandelbarkeit ist Bakkens Kontinuität. Ja, die Zeit. Und die Zeiten. Die sind irgendwie doch nicht mehr das, was sie einmal waren, wie sie augenzwinkernd bemerkt. Früher tranken coole Jungs Whiskey und Bier. Heute grünen Tee.