Ingolstadt
"Gummigesichter sind schwierig"

"Spottschau"-Erfinder Christoph Härringer zeigt im DK-Forum, worauf es beim Comic-Zeichnen ankommt

04.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:04 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Wer wie Christoph Härringer im Gründungsjahr der Bundesliga, 1963, geboren ist, der muss dem Fußball zugetan sein. Warum dann keine Karriere auf dem Platz? "Ich war immer zu faul, nach einem Angriff zurückzulaufen. Es ist für alle besser, dass meine Karriere am Schreibtisch stattfindet“, antwortet Härringer am Montagabend auf die Frage Timo Schochs, Sportchef unserer Zeitung.

 Zum letzten Frühjahrstermin der „LeseLust“-Reihe hat der Zeichner, der in seiner „Spottschau“ seit 2006 in unserer Zeitung und weiteren 100 deutschlandweit, das Fußballgeschehen kommentiert, seinen digitalen Stift mitgebracht. Zeichnen und Erzählen sind bei ihm eins. Zwei unterhaltsame Stunden lang plauderte er mit dem Sportchef und bezieht das Publikum mit ein.

Wie er das Charakteristische eines Akteurs erkenne? „Mein Ausgangspunkt liegt immer zwischen den Augen“, sagt der aus Freiburg im Breisgau stammende Härringer und zeichnet schwungvoll Bayern-Manager Hoeneß: „Der hat bei mir keine Augen. Anfangs aber schon.“ Härringer blättert in seinem digitalen Archiv, zeigt eine der ersten Zeichnungen. „Ich taste mich an die Menschen immer heran, besorge mir zuerst Fotos.“ Spricht’s und überträgt eine seiner ersten Zeichnungen gut sichtbar auf die Leinwand im DK-Forum.

Der erste Eindruck entscheide. Bei Joachim „Jogi“ Löw war es die Pony-Frisur – „wie eine Playmobil-Figur“. Und die Augenbrauen: „Er hat eine Mono-Braue, zusammengewachsene Augenbrauen. Mittlerweile rasiert er sie. Aber bei mir ist sie geblieben.“ Für den Comic-Zeichner ist nicht das Abbild eins zu eins entscheidend, vielmehr zählen Ausdruck und Charakter. „Oft ist da wenig Ähnlichkeit mit dem tatsächlichen Aussehen.“ Doch erkennen nicht nur die Leserinnen und Leser, wer gemeint ist. Immer wieder rufen die von ihm Porträtierten an und wollen seine Originale.

Am liebsten sind Härringer markante Gesichter, kein „Gummigesicht“ wie das des Trainers Jürgen Klopp oder Fußballers Lukas Podolski. Beide haben einen kleinen Mund, doch beim Lachen einen großen. „Und dann wechselt der Klopp zweimal im Jahr das Brillengestell. Jetzt noch die neuen Haare!“ Fast seufzt Härringer, zeichnet weiter, auf Zuruf auch Felix Magath („Noch so ein Brillenwechsler!“).

Solche kurzfristigen Veränderungen verursachten dann schon mal Stress in der Wochenproduktion. Härringer verfolgt täglich das Fußballgeschehen („Richtig Urlaub mit komplett Abschalten kenne ich nicht“), fängt Mitte der Woche an, aber: „Im Fußball werden freitags Mannschaftsaufstellungen, Trainerwechsel oder Spieler-Transfers bekannt gegeben. Wenn dann einer wie Tönnies, der immer einen Schnurrbart getragen hat, diesen abrasiert . . . !“ Als Clemens Tönnies den Verein Schalke 04 an den russischen Staatskonzern Gazprom verkaufte, habe er nach dem aufgeregten Anruf einer Redaktion aus dem „Pott“ in einer Stunde alles noch einmal gezeichnet. „Da waren sie sehr genau“, sagt er. Ansonsten sei im „Pott“ eher der härtere Zeichenstift gefragt, in Süddeutschland der dezentere Spott. Und ja, es gebe Tabu-Themen: Homosexualität im Fußball beispielsweise. Es habe Ärger mit Schiedsrichtern gegeben, die er als Schwule gezeichnet habe.

Am liebsten hat Härringer, der in Paris das Zeichnen studiert hat, Comics ohne Sprechblasen. Das zeigt er am Beispiel des Rauswurfs von Oliver Kahn. Er ließ ihn als Titan vom Denkmalsockel stürzen. Woher solche Ideen kommen? „Ich hatte schon immer dumme Ideen“, sagt er bescheiden. Den Beweis, dass er früh mit dem Zeichnen begonnen hat, nie etwas anderes habe machen wollen, zeigt er auch: Vor 37 Jahren, als Schüler, zeichnete er Gerd Müller und Uli Hoeneß im Olympiastadion. Dieses Blatt habe er mit weiteren zusammengeheftet erfolgreich als Heftchen verkauft.