Ingolstadt
Aus gegebenem Anlass

"Biedermann und die Brandstifter" hat in Ingolstadt Premiere

13.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Feuer unterm Dach: Während die Brandstifter zündeln, schauen die Biedermanns nur zu. Samstag ist im Kleinen Haus Premiere. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Gerade noch hat Haarwasserfabrikant Gottlieb Biedermann beim Zeitungslesen empört die Todesstrafe für die Brandstifter gefordert, die seit einiger Zeit das kleine Städtchen in Atem halten, trotzdem gewährt er einem Fremden, der vor der Tür steht und an seine Menschlichkeit appelliert, Obdach. Als nach Herrn Schmitz auch noch Herr Eisenring auftaucht und beide zusammen Benzinfässer auf dem Dachboden lagern, wird Biedermann zunehmend misstrauisch, weigert sich aber weiterhin das Offensichtliche zu sehen.

Und überreicht den beiden Brandstiftern am Ende sogar noch die fehlenden Streichhölzer zum finalen Feuer. "Wenn sie wirkliche Brandstifter wären, du meinst, die hätten keine Streichhölzer", sagt er zu seiner Frau Babette.

Als "Lehrstück ohne Lehre" hat Max Frisch sein Stück "Biedermann und die Brandstifter" bezeichnet, das 1958 uraufgeführt wurde und es längst in den Deutschunterricht geschafft hat. Weil es in dem Stück auch darum geht, sich angesichts gefühlter oder wirklicher politischer Bedrohtheit nicht in falscher Sicherheit zu wähnen, passt das Stück erstaunlich gut in unsere Zeit und wird deshalb wieder von vielen Bühnen gespielt. In Ingolstadt wird damit an diesem Samstag die Saison im Kleinen Haus eröffnet.

Nachdem sich die Theaterleitung "wegen künstlerischer Differenzen" von Regisseur Robert Besta getrennt hat, hat Mona-Julia Sabaschus nun die Inszenierung übernommen. Ein Kraftakt in der Kürze der Zeit. Denn: "Unser Versuch war tatsächlich, bei Null anzufangen. Obwohl: Das stimmt natürlich nicht ganz, weil eine Auseinandersetzung mit dem Stoff natürlich schon stattgefunden hatte. Und auch große Textteile schon angelernt waren. Aber wir haben eine komplett neue Strichfassung gemacht. Jeder Gang, jeder Blick ist neu erfunden. Es gibt plötzlich neue Stichwörter. Die Schauspieler sind also auch ganz schön gefordert", sagt Mona-Julia Sabaschus.

Die Regisseurin holt das Stück ins Heute - "auch wenn wir keine Modernisierungen vornehmen". Denn die Aktualität des Stücks liegt auf der Hand. Man könnte es als Kommentar auf die politische Lage lesen. "Beispiel Türkei: Wir gucken weg, denken, das betrifft uns ja gar nicht. Wir gehen zurück in unsere Wohnung, zu unseren Familien, versuchen das Glück im Kleinen zu finden, und da draußen passiert alles Mögliche", sagt Mona-Julia Sabaschus. Was sie vor allem interessiert hat: "Einmal die Satire, die man gut herausarbeiten muss, und zum anderen die Ernsthaftigkeit des Ganzen, diese unglaubliche Angst, die die Menschen haben müssen, denn am Ende geht es um Leben oder Tod - auch wenn das in vielen Inszenierungen häufig weggespielt wird."

Was soll das Publikum mitnehmen? "Ich möchte, dass man den Abend mit dem Schrecken und der Erkenntnis verlässt, wie ernst die Situation ist. Dass es wirklich um etwas geht. Das Publikum soll verstehen: Was passiert eigentlich, wenn wir nur zugucken"

Premiere ist diesen Samstag, 14. Oktober, um 20 Uhr im Kleinen Haus. Es spielen: Mira Fajfer, Victoria Voss, Olaf Danner, Ulrich Kielhorn, Matthias Zajgier. Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.