Ingolstadt
3 Pinguine + 2 Fahrscheine = 1 Problem

Ulrich Hubs Kinderstück "An der Arche um acht" erklärt schwere Fragen kinderleicht

03.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:32 Uhr

Der blinde Passagier ist entdeckt: Michael Amelung, Susanne Engelhardt und Péter Valcz bilden ein herrliches Pinguin-Trio, Olivia Wendt sorgt als Taube für Ordnung auf der Arche - Foto: Olah

Ingolstadt (DK) Da stehen sie auf ihrer Eisscholle, die beiden Pinguine, und starren verzweifelt auf ihre Koffer. „An der Arche um acht“ hatte die Taube gesagt. Die Sintflut naht. „Wer zu spät kommt, ertrinkt.“ Und: „Auf der Arche Noah ist nur noch Platz für zwei Pinguine.

“ Zwei von jeder Art. Dann hatte sie noch etwas von „Packen“ gemurmelt und war in großer Hektik wieder verschwunden. Die Pinguine hatten gefolgt, ein bisschen lustlos, aber irgendwie doch ziemlich froh, hatten ihre kleinen roten Koffer aus dem Schrank geholt, ihre Hausschuhe eingepackt. Und dann innegehalten. In den Flügelflossen das Ticket („Berechtigt nur zur Beförderung. Nach der Sintflut verlieren die Tickets ihre Gültigkeit.“), stehen sie und starren – auf DREI Koffer. Denn eigentlich sind sie ja DREI Pinguine. Dass die Taube nur zwei von ihnen angetroffen hatte, war ein Zufall. Ein kleiner Streit. Kommt vor unter Freunden. Was also sollen sie jetzt tun?
 
„An der Arche um acht“ heißt das herzzerreißend komische Kinderstück (ab sieben Jahren) von Ulrich Hub, das unter der Regie von Julia Mayr am Freitagabend in der Werkstatt des Stadttheaters Ingolstadt seine umjubelte Premiere feierte. Hub verhandelt in seinem Stück große Fragen nach Gott, Gesetz und Gerechtigkeit, aber auch ganz alltägliche um Freundschaft, Schuld und Solidarität. Seine Helden sind Pinguine, die tollpatschig umherwatscheln und Kindern gleich mit großer Ausdauer Fragen stellen – zu komplexesten Sachverhalten: Wer ist Gott? Warum ist Gott unsichtbar? Und: Gibt’s noch mehr Kekse?

Wie bei Kindern besteht die Welt der drei Pinguine daraus zu spielen, Dinge zu erkunden, zu streiten, sich wieder zu versöhnen, Allianzen zu schmieden, rechthaberisch zu sein – oder traurig, wütend, ängstlich, sich zu langweilen oder den Genuss des Einfach-nur-Daseins auszukosten: in der vertrauten Landschaft aus Schnee und Eis, mit den liebsten aller Pinguine. Und wie Kinder spiegeln auch die Pinguine die Erwachsenenwelt wider: in ihrer Erziehungshaltung, ihrem Eigensinn, der Vermittlung ihres (Halb-)Wissens oder dem Bestreben, Verantwortung für andere zu übernehmen.

Natürlich lassen die beiden Pinguine ihren Freund nicht zurück. Als blinden Passagier schmuggeln sie ihn an Bord und müssen fortan aufpassen, dass die Taube sie nicht erwischt. Was natürlich mit jeder Menge komischer Verwicklungen verbunden ist.

Ulrich Hubs zu Recht preisgekröntes Stück besticht neben der gehaltvollen Thematik durch ein charmantes Setting und umwerfend witzige Dialoge. Und Julia Mayr setzt es mit einem hervorragenden Darstellerteam kongenial um. Michael Amelung, Susanne Engelhardt und Péter Valcz sind die drei Pinguine, die vom Kuschelmodus bis zum emotionalen Ausnahmezustand schauspielerisch zu glänzen wissen. Jeden von ihnen während der 75 Minuten Spieldauer zu beobachten, bereitet wildes Vergnügen: ihre tollkühnen Pinguin-Bewegungen, die kehligen Laute, der kindliche Trotz, der verwegene „Heimatabend“ (Musik: Tobias Hofmann) auf der Arche. Dazu Olivia Wendt als Taube: ein zerzaustes Energiebündel im weißen Tüll- und Daunenoutfit. Mit exzellentem Aberwitz spielt sich Olivia Wendt durch diverse Seelenzustände, ist resolut, höflich, unverstanden, larmoyant. Und Friedrich Schilha in einem Kurzauftritt als Noah – in weiser Entspanntheit.

Ausstatterin Dietlind Konold hat nicht nur pfiffige Kostüme entworfen, sondern auch das kolossale Bühnenbild. Während zu Beginn die Antarktis mit einem hohen Eisblock und ein paar -schollen skizziert ist, nimmt ab der fünften Szene der hölzerne Bug eines riesigen Schiffes fast den gesamten Bühnenraum ein. Ein mannshohes Fenster gewährt Einblick in den düsteren Schiffsbauch, wo die Pinguine 40 Tage lang ihr klägliches Dasein fristen.

Alles in allem: viel zu staunen, viel zu denken, viel zu lachen. Gibt es bessere Gründe ins Theater zu gehen?