Ingolstadt
Im Dienst einer großen Geige

Susanne Hou und die Sinfonietta Cracovia beim Konzertverein Ingolstadt

19.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:58 Uhr
Susanne Hou spielt auf der berühmten Violine von Fritz Kreisler bei ihrem Konzert im Ingolstädter Festsaal. −Foto: Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) Ein hervorragendes Instrument verpflichtet.

Die kanadische Geigerin Yi-Jia Susanne Hou spielt auf der Geige des berühmten Fritz Kreisler (1875-1962). Vorzügliche Violinen wie eben die "ex-Mary Portman, Fritz Kreisler Guarneri del Gesu, Cremona"-Geige von 1735 haben einen sehr eigenen Charakter. Und das war beim Konzert von Susanne Hou durchaus zu spüren. Aber wichtiger ist vielleicht noch etwas anderes: Wer ein so ungewöhnliches Instrument zur Verfügung hat, der beschäftigt sich vermutlich noch intensiver mit den spezifischen Klängen, die damit hervorgebracht werden können, hört noch genauer hin, experimentiert noch nachhaltiger.

Jedenfalls war beim Konzert des Konzertvereins am Mittwochabend im Ingolstädter Festsaal durchaus zu spüren, wie die Geigerin um jeden Ton rang, wie sie mit Klangfarben spielte und immer wieder erstaunliche Kolorierungen hervorbrachte. Den Stil von Fritz Kreisler allerdings imitierte sie dabei keineswegs.

Auffallend waren besonders die langsamen Sätze der beiden Konzerte, die an diesem Abend auf dem Programm standen: des Violinkonzerts in E-Dur von Johann Sebastian Bach und des Violinkonzerts D-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart.

Beim Adagio des Bach-Konzerts ging die gebürtige Chinesin einen besonderen Weg: Sie verzichtete auf allen äußerlichen, vibratotriefenden Glanz der Geige und ließ ihre Guarneri ganz intim, leise, fast zerbrechlich tönen. Die sanfte Melodie erhielt dadurch eine verinnerlichte, zutiefst berührende Färbung. Die Ecksätze des Violinkonzerts dagegen ging Hou straff an, nicht übermäßig schnell, auch nicht so musikantisch tänzelnd wie manche Interpreten aus dem Umfeld der historischen Aufführungspraxis. Dafür mit warmem, fast bratschenhaft tief getöntem Charakter. Wie überhaupt die Musiker auch des polnischen Kammerorchesters Sinfonietta Cracovia, das sie begleitete, mit den Erkenntnissen der Originalklang-Bewegung offenbar wenig anfangen können.

Den langsamen Satz des Mozart-Konzerts ging Hou deutlich anders an als den Bach. Den ersten Einsatz begann sie kaum hörbar, um dann mit ungewöhnlicher Süße des Klangs fortzufahren und die Melodie deutlich auszusingen. Überhaupt zeigte die Geigerin beim Mozart viel Temperamt. Im Kopfsatz spielte sie eine sehr lange Kadenz mit berauschender Virtuosität. Und der Schlusssatz gelang ihr ungemein temperamentvoll und zugleich musikantisch federnd leicht. Mozart liegt der Geigerin auf jeden Fall deutlich besser als Bach.

Eingerahmt wurde der Auftritt der Solistin mit Orchesterwerken. Die Sinfonietta Cracovia spielte das gesamte Konzert über ohne Dirigenten, geleitet wurden die Musiker vom Konzertmeister Maciej Lulek. Das Orchester eröffnete den Abend mit polnischer Barockmusik eines unbekannten Komponisten. Die "Symphonia de Nativitate" greift volksmusikalische Elemente auf, die Themen sind munter und einfach gestrickt, besonders der langsame Satz wirkt geheimnisvoll und berührend. Das polnische Ensemble, das in seinem Charakter durchaus mit dem Georgischen Kammerorchester verglichen werden kann, spielte mit sanfter Eleganz und großer Perfektion. Die Jugendsinfonie in h-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy, die darauf folgte, nahm das Orchester zunächst sehr streng, mit wenig Vibrato, war dann allerdings in den schnellen Sätzen zu wenig dramatisch, musizierte einfach zu beiläufig.

Ganz anders das orchestrale Hauptwerk des Abends, die Sinfonie Nr. 43 von Joseph Haydn. Die Musiker überzeugten nicht nur mit feurigem Temperamt, sondern vor allem mit ausgefeilter Detailarbeit, etwa im langsamen Satz.

Zum Sturm und Drang der Sinfonie passte hervorragend die sehr selten gespielte Ouvertüre in g-Moll des polnischen Komponisten Franciszek Lessel, die die Musiker als Zugabe boten. Das spritzige Stück des Haydn-Schülers begeisterte das Publikum auf Anhieb. Lang anhaltender Beifall für die polnischen Musiker.

Jesko Schulze-Reimpell