"Humor kann heilen"

Cartoonist Peter Gaymann wird heute 70 - beim Besuch im Atelier sieht er Corona-bedingte Einschränkungen gelassen

25.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:33 Uhr
  −Foto: Fröhlich

Hohenschäftlarn - Die große Geburtstagsfeier zum 70. abgesagt.

Die Hommage an seine Wahlheimat "Typisch Bayern! " im Lockdown  sang- und klanglos erschienen. Die Retrospektive im Buchheim-Museum Bernried, "Who the Gack is Gaymann? " zum Cartoonisten Peter Gaymann  ab 27. Juni heißt nun "Virus Visionen".    Entstanden aus dem Online-Corona-Tagebuch, das der gebürtige Freiburger seit Mitte März führt. Dennoch zeigt er sich heiter, als er die Tür zum 100 Quadratmeter großen Atelier öffnet. Vor drei Jahren  hat er gemeinsam mit seiner Frau Viktoria einen alten Gasthof südlich von München als Wohnhaus mit Atelier unter Jahrhunderte altem Dachgebälk eingerichtet. Er nimmt die Situation mit Humor. "Wie sonst? ", fragt er.

Schließlich sind seine Cartoons (die ersten: "Gaymanns Tierische Blätter", 1976 für die "Badische Zeitung")  von Anfang an humorige Kommentare zu typisch Menschlichem und zum Zeitgeschehen. Nicht Satire oder  Karikatur. "Ich mache  nie lächerlich. Humor hilft locker zu lassen, zu entspannen und über sich selbst zu lachen. Das kann sogar heilen", sagt Gaymann.

Mit dieser Haltung ist es egal, ob er Menschen zeichnet - wie seit 30 Jahren für die Zeitschrift "Brigitte" die Serie "Paar Probleme"- oder Tiere - seit seinem Band "Huhnstage" 1984 ist er der Herr des "Huhniversums. Stets spießt er   Merkwürdigkeiten, Eitelkeiten,  Absurditäten,  Aufreger, Ängste auf; alles, was uns Menschen umtreibt. Der Witz entsteht aus der Kombination alltäglicher Szenen mit einem kurzen Text, der dazu quer steht oder die Situation absurd weiterdreht: Da droht in "Typisch Bayerisch! " ein Maibaum schlapp durchzuhängen, Männer wässern ihn eifrig mit Gießkannen. Ein anderer kommentiert:" Jetzt hamma den Klimawandel auch in Bayern. " Eine Szene seines Online-Tagebuches, das nun als "Typisch Corona! " erscheint, zeigt zwei Trapez-Artisten im Flug. Kurz bevor sie sich wieder an den Händen fassen, erschallt ein "Hände gewaschen? ? "

Inspiration bezieht Peter Gaymann aus seiner Offenheit für sein Umfeld und die Mitmenschen, durch Beobachtung und Zuhören. Er ist gesellig, reist gerne, lädt zu Speis und Trank und zum Reden ein ("Ich bin dem Kulinarischen zugeneigt! " Wie beim gemeinsamen Buch "Wein muss rein! " mit Köchin Lea Linster) und: "Ich habe als junger Mensch die 68er, die Kinderläden, die sich verändernden Geschlechterrollen erlebt, als man alles diskutierte und hinterfragte. " Unterwegs notiert und zeichnet er in kleine Skizzenbücher.

Schon als Kind habe er gerne gezeichnet. In der Ausstellung wird eine Kinderzeichnung zu sehen sein. Es ist das Haus der Großmutter mit einem Storch mit überlangen Beinen davor. Aber der Berufswunsch Künstler kam nicht auf. Deshalb das Studium an der Fachhochschule für Sozialwesen in Freiburg. "Etwas Handfestes sollte es sein. Das war auch die Sorge meiner Eltern. " Das Zeichnen und Malen hat ihn stets begleitet. "Es ist meine Leidenschaft. Bis heute. Ich arbeite täglich, auch mal Samstag und Sonntag. Arbeit ist es schon, wenn aus den Bleistiftskizzen Bilder werden, die im Atelier handcoloriert werden. " 

Peter Gaymann ist Autodidakt.   "Ich habe das Zeichnen und Werken für meine Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen genutzt. Aber ich ahnte, dass es das Zeichnen ist, was mich bewegt. " Deshalb hat er sich nach dem Studium, "bevor ich in den 8-Stunden-Tag eintrete", von 1976 bis 1978 eine Auszeit gegönnt. War nur so viel als Sozialarbeiter tätig und hat Zeichen-, Mal- und Werkunterricht gegeben, dass Zeit blieb. Für Museen, zum Betrachten und Lesen. Zum Beispiel der Werke von Tomi Ungerer und  Jean-Jacques Sempé. Das war es: Mit einem Bild eine ganze Geschichte, ja, Sozial- oder Zeitgeistgeschichte zu erzählen. Ab und an kopierte er seine Zeichnungen und schickte sie an Redaktionen. "Dann gab es mal von zehn eingesandten Bildern für eines 50 Mark. "

Es lief gut an. Bald hatten er und sein Zeichenkollege Janosch nebeneinander Postkarten-Ständer in den Läden, gab es Aufträge für Plakate und Firmenflyer. In seinen Augen genug, um mit seiner damaligen Frau und der fünfjährigen Tochter 1986 von Freiburg aus nach Rom zu übersiedeln. "Rom war mein Sehnsuchtsort. Die Stadt, in der Fellini und Pasolini waren, die Cinecittà. Ich war ein Bewunderer des neuen italienischen Films. " Von Rom aus arbeitete er für Deutschland. 1987 wurde sein Sohn dort geboren, die Familie fühlte sich wohl.

Dennoch fiel 1991 die Entscheidung, nach Deutschland zu ziehen. "Es ging um die schulische Zukunft der Kinder. Und natürlich die berufliche Seite. Wer nicht in Deutschland täglich lebt, bekommt viele neue Wörter und neue gesellschaftliche Entwicklungen nicht mit. Beispiel Fahrradfahren - in Rom: Fehlanzeige, in Deutschland: ein Trend. " Doch sollte es nach der Großstadt Rom nicht das beschauliche Freiburg werden ("Ich bin aber dort immer gern, meine Brüder, viele Freunde leben dort! ") sondern eine Großstadt. Köln wurde es. Dort waren Bekannte. Mittlerweile war es durch Computer auch egal, von wo aus Cartoons, Bilder und Texte für Bücher verschickt werden. "Von Rom aus habe ich anfangs alles mit der italienischen Post verschickt. Wenn es schneller gehen sollte mit der Vatikanpost, also mit einer Briefmarke mit Papstkonterfei! Oder ich bin abends an den Flughafen gefahren, damit es mit der letzten Maschine am nächsten Tag in Deutschland war. "

Vor drei Jahren kam der Umzug nach Bayern, in die Nähe der Großstadt München: Die Kinder sind erwachsen, haben selbst Kinder. Seine zweite Frau Viktoria hat lange in München gelebt und gearbeitet. "Veränderungen sind bereichernd, bringen neue Impulse. Viele Freunde sind mir geblieben, neue haben wir hinzugewonnen. " Unter anderem beim Bemalen des Maibaums im Ort. "Wir bringen uns immer in soziale Gemeinschaften ein. " Den Lockdown haben sie "privilegiert" verbringen können mit Spaziergängen auf dem Land. Und er mit neuen Aspekten der Arbeit, zum ersten Mal ein Online-Tagebuch. "Ich habe die Zeit als persönliches Experiment empfunden wie damals die zwei Jahre nach dem Studium. " Und was kommt nun?

Abwarten. Mit Humor. Gaymann wird seine Arbeit an Kalendern zur Demenz weiterführen, sein für 2021 geplantes Buch zum Älterwerden wird wohl anders erscheinen. "Ich bin weiterhin Botschafter des Bundesverbandes Kinderhospiz, unterstütze die Arbeit der Eckart-von-Hirschhausen-Stiftung ,Humor hilft heilen'. " Der 70. Geburtstag wird zweimal gefeiert. Heute mit Ehefrau Viktoria und der angereisten Familie. Nächstes Jahr als Sause mit Freunden und Bekannten. Und es gibt die Ausstellung im Buchheim-Museum, in die sein Team ja als kleine Retrospektive die Zeichnung aus Kindertagen und ein Foto vom kleinen Peter integriert haben.

DK


Peter Gaymanns Virus Visionen im Buchheim Museum, Bernried am Starnberger See. 27. Juni bis 11. Oktober, Di- So/Fei 10-18 Uhr.

Barbara Fröhlich