Neuburg
Hommage an den Swing

21.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:18 Uhr
Scott Hamilton begeisterte mit seinem Quartett im Birdland in Neuburg. −Foto: Foto: Leitner

Neuburg (DK) Laut Wikipedia ist ein Kennzeichen für Swing im Jazz "die Spannung zwischen der Regelmäßigkeit des Rhythmus und ihrer Durchbrechung, zwischen Fundamentalrhythmus und Melodierhythmus".

Von Duke Ellington hingegen stammt das Statement "It don't mean a thing, if you ain't got that swing". So weit, so gut, aber doch immer noch ziemlich theoretisch. Weiter kommt man, wenn man sich akustisch auf besagten Swing einlässt, wobei es - wenn die dafür ausgewählten Stücke wirklich swingen, und das tun sie an diesem Abend im Birdland weiß Gott - nicht lange beim bloßen Hören bleibt, denn sehr schnell stellt sich dann ein Erlebnis sensomotorischer Art ein. Man saugt diese Musik geradezu auf, man empfindet sinnlich.

Das Quartett, das der amerikanische Tenorsaxofonist Scott Hamilton in den ausverkauften Club in der Neuburger Altstadt mitgebracht hat, erfüllt alle Voraussetzungen. Joel Locher am Kontrabass, der hochtalentierte junge Pianist André Weiss und Powerdrummer Charly Antolini spannen die Hängematte, in der man sich als Zuhörer so wohlig räkeln und sich dem unwiderstehlichen Puls dieser Musik hingeben kann. Ist man bereit, sich wirklich einzulassen auf diese Kompositionen, die da so herrlich dahinschnurren, auf die immer wieder von einem Solisten - meist vom Bandchef selbst - angerissenen und von einem seiner Partner vollendeten thematischen Bögen, dann entfaltet sich die ganze Kraft, die in ihnen steckt, fast wie von selbst. Die Sache ist tatsächlich ansteckend, man schwelgt, man wippt den Groove mit den Füßen mit, ohne darüber groß nachzudenken, und je mehr man sich fallen lässt, desto besser fühlt man sich. Dass das Ganze wegen der spannenden Wege, die die Solisten gehen, freilich immer mit einem wohligen Kribbeln verbunden ist, macht die Sache nur noch interessanter.

Wenn man Hamiltons warmen Ton wahrnimmt, wird man unweigerlich an Ben Webster erinnert, als dessen legitimer Nachfolger er ja auch gilt. Die Standards von Webster, aber auch von Cole Porter, Hoagy Carmichael, Errol Garner und all der anderen legendären Komponisten des Jazz, die er an diesem Birdland-Abend spielt, passen da sehr gut ins Bild. Und sie sind überdies ein idealer Ausgangspunkt nicht nur für diesen an akustischen und sinnlichen Genüssen so reichhaltigen Abend, sondern auch Basis für Hamiltons individuelle Art, mit dem Erbe seiner stilistischen Vorgänger umzugehen.

Sogar nach weit über zwei Stunden ist das Publikum nur ungern bereit, Hamilton und seine Band von der Bühne gehen zu lassen. Das ist verständlich, denn was das Quartett da gerade eben geboten hatte, hätte man sich durchaus auch gerne bis zum Morgengrauen gegönnt.

Karl Leitner