Salzburg
Herzensbrecher mit Roboterunterstützung

Ferenc Molnárs "Liliom" als halbgares Volksstück bei den Festspielen an der Salzach

18.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:15 Uhr
Aus Freude über das unverhoffte Wiedersehen im Diesseits spielen Julie (Maja Schöne, links) spielt mit Liliom (Jörg Pohl) und Luise (Paula Karonina Stolze) Seilspringen. Der Roboter hat dafür den vom Himmel gestohlenen Mond auf die Erde gebracht. −Foto: SF/Matthias Horn

Salzburg (DK) Äußerst hübsch ist der Prolog geraten: Zwei Industrieroboter im Monsterformat heben und senken ihre Arme, schwenken nach links und rechts und hieven eine Parkbank samt einigen blühenden Büschen und Bäumchen auf die Bühne.

Die Illusion einer Idylle ist perfekt: Lilioms lauschiges Separée in der Natur, wo er die Mädels, die seinem herben Charme erlegen sind, lustvoll verführt.

Wäre da nicht die Frau Muskat (Oda Thormeyer), die Betreiberin des Karussells, die ihn aushält und bei der er als Schaukelbursch, als "Hutschenschleuderer", sich verdingt. Mit Argwohn verfolgt sie Lilioms Amouren und kündigt ihm schließlich aus Eifersucht, als er mit dem Dienstmädchen Julie (Maja Schöne) allzu intim wird.

Ewige Treue schwört der Strizzi seiner neuen Flamme, zieht mit ihr ins Haus der Fotografin Hollunder (Sandra Flubacher), die jedoch den Hallodri schnell durchschaut, obwohl sie selbst ein Auge auf ihn geworfen hat. Doch ein besserer Mensch will Liliom ja werden, heiratet Julie und gerät trotzdem auf die schiefe Bahn: Mit seinem vermeintlichen Freund Ficsur (Tilo Werner), plant er bei einer rabiaten Wasserschlacht einen Raubüberfall, um Geld für seine Frau und das noch ungeborene Kind zu erbeuten. Der Coup misslingt, und Liliom nimmt sich kurz vor seiner Verhaftung das Leben. Der Traum einer glücklichen Zukunft ist endgültig geplatzt.

Ein ebenso pralles wie im besten Sinne sentimentales Volksstück über einen Herzensbrecher ist's, der als "nichtsnutziger Kerl doch noch ein Mensch werden kann", wie Alfred Polgar meinte, der dieses Dramolett ins Deutsche übersetzte und von Budapest in den Wiener Prater verlegte. Max Pallenberg, Josef Meinrad, Helmut Lohner, Hans Brenner und all die anderen Heroen des Wiener Volkstheaters brillierten in dieser Paraderolle des Strolchs als Frauenschwarm. Zahlreiche Verfilmungen und das Musical "Carousel" von Richard Rogers und Oskar Hammerstein machten dieses Stück zudem weltweit bekannt.

Doch was destillierte der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó aus dieser 1909 in Budapest uraufgeführten "Vorstadtlegende" seines 1952 in der Emigration in New York verstorbenen Landsmanns Ferenc Molnár? Statt "Liliom" mit subtilem erotischen Flair anzureichern, ließ der 44-jährige Regisseur anfangs eine reichlich triviale Sex- und Crime-Story mit ach so reißerischen Video-Einblendungen von Lilioms häuslichem und ehelichem Elend ablaufen. Dazu ein fürchterlich banales, hier völlig deplatziertes Männerballett, ein überflüssiges Krokodil in Frau Hollunders Sperrholzhäuschen (von Monika Pormale) und Eis lutschende Mitglieder des Jüngsten Gerichts, die Liliom für 16 Jahre ins Fegefeuer schicken. Und Jörg Pohl in der Titelrolle lässt zunächst auch jeglichen Charme eines liebenswerten Vorstadtstenzes vermissen.

Erst als der himmlische Richter gestattet, dass Liliom für einen Tag auf die Erde zurückkehren darf, um Julie und seine inzwischen bereits zum Teenager herangereifte Tochter zu besuchen, besann sich der Regisseur auf Molnárs Poesie: Die Roboter bringen - zur elegischen Filmmusik von Xenia Wiener - dem vom Himmel gestohlenen Mond auf die Erde, während Julie aus Freude über das Wiedersehen und Lilioms (hier behinderte) Tochter Luise (Mila Zoe Meier) aus fröhlichem Erstaunen über die erste Begegnung mit ihrem Vater lustig Seil springen. Nur Liliom beherrscht die Technik dieses Hüpfspiels nicht, verheddert sich, stolpert mehrmals und muss daher zurück in den Himmel: Der Traum von der im Jenseits erhofften und im Diesseits erwünschten Familienidylle währte nur einen Augenblick.

Großer Jubel des Premierenpublikums in der ehemaligen Saline auf der Perner-Insel, der alternativen Spielstätte der Salzburger Festspiele im benachbarten Hallein. Und die Roboter dankten für den ihnen zugedachten stürmischen Applaus durch das geradezu majestätische Heben, Senken und Ausstrecken ihrer meterlangen Arme.

ZUM STÜCK
Theater: Perner-Insel, Hallein
Regie: Kornél Mundruczó
Bühne: Monika Pormale
Kostüme: Sophie Klenk-Wulff
Musik: Xenia Wiener
Nächste Vorstellungen: 21., 23., 24. und 26., 27. und 28. August, Beginn jeweils 19.30 Uhr
Kartenbestellung unter Telefon: (0043) 662-8045-500