Ingolstadt
Gut geschrammelt

Stefan Leonhardsberger und seine Pompfüneberer entführen ein begeistertes Publikum nach Wien

03.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:06 Uhr
Gute Musik mit Wiener Schmäh: Stefan Leonhardsberger (Mitte) und seine Pompfüneberer im Ingolstädter Diagonal. −Foto: Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) Wer bei "Austrofolk" an STS denkt oder an Hubert von Goisern, der liegt natürlich richtig - denkt aber auch in viel zu engen Grenzen. Austrofolk, das haben Stefan Leonhardsberger und seine Pompfüneberer am Mittwochabend bei einem umjubelten Konzert im Ingolstädter Diagonal gezeigt, Austrofolk lässt sich definieren als mit viel Wiener Schmäh präsentierte Musik, die nach allen Seiten hin offen ist.

Und so ist es auch nur auf den ersten Blick unpassend, dass Leonhardsbergers Ingolstadt-Premiere mit neuer Band und neuem Programm, das eben den Namen "Austrofolk" trägt, im Rahmen der Reihe "Jazz & more" läuft. Denn so ein bisserl Jazz und Swing ist da schon auch dabei, allein in der Bühnenpräsenz der vier Pompfüneberer - Wienerisch für Bestatter -, die Leonhardsberger äußerst spielfreudig das musikalische Fundament für seine Lieder über die Liebe, den Tod und die Geschichten aus den tiefsten Tiefen der Wiener Seele legen. Der Schwerpunkt liegt aber schon ziemlich nah bei Bob Dylan und Wolfgang Ambros, irgendwo im weiten Feld zwischen Wienerlied und amerikanischem Heartland-Rock.
Bei Stefan Leonhardsberger, der im feschen Dreiteiler auf der Bühne steht, verschmilzt also, was zusammengehört. Das geht schon bei der Optik los - irgendwie wirkt er wie eine Mischung aus dem jungen Georg Danzer und Wanda-Sänger Michael Marco Fitzthum, zwei der ganz Großen der österreichischen Musikszene. Wenn wir schon beim Namedropping sind: Im wunderbar traurigen Lied über einen 54-jährigen Mann, der zusammen mit seiner Mutter lebt und mit ein paar Tabletten erst sie und dann sich selbst in den Schlaf versetzt, aus dem es kein Erwachen gibt, sind Ludwig Hirsch und sein "Großer schwarzer Vogel" ganz nah. Und schicksalsergebene Zeilen wie "I wart und i waas ned auf was, i suach a grüneres Gras" (aus "Das Licht") könnten auch von Ambros sein.

Auf die Austropop-Schiene lässt sich Leonhardsberger aber nicht so einfach schieben. Er und seine Pompfüneberer Mick Lopac (E-Gitarre), Martin Schmid (akustische Gitarre), Ulrich Fiedler (Bass) und Stefan Gollmitzer (Schlagzeug) wollen auch mal Country spielen oder Richtung Avantgarde schielen, einfach mal ausprobieren, was so alles geht. Und den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen, geht sogar das schräge "Mini-Musical", das es als lange Zugabe gibt und das sich als eine Art Hörspiel mit musikalischer Untermalung und Fragmenten aus Songs wie "The End" von den Doors oder "Peter Gunn" entpuppt. Leonhardsberger nimmt sich die Freiheit, nach einem Wienerlied, das die Pompfüneberer stilgerecht schrammeln, "Baby, du glitzerst wie ein Diamant" zu hauchen und das Publikum damit auf den Wiener Rapper Yung Hurn hinzuweisen. Und er zeigt, dass man zum Thema "Ich hab bei mir zhaus eine ganz normale Kaffeemaschin" in bester Worried-Men-Skiffle-Group-Tradition ein textlich durchaus gehaltvolles Lied mit mehreren Strophen verfassen kann. Da meint man gleich verführerischen Kaffeeduft im Saal zu erschnuppern.

Ein paar Coverversionen runden das Ganze ab. Bruce Springsteens "The River" hat er ja schon bei seinem akustischen "Billie Jean"-Programm zum "Almsee" gemacht. Dass der Song jetzt wieder dabei ist, hat einen Grund, wie Leonhardsberger sagt: "Ich wollte schon immer mal wissen, wie er mit Band klingt." Nun, gut klingt er, sehr gut sogar. Wie fast alles an diesem Abend. Das einzige, was nicht so recht funktioniert, ist dieses eine Lied, das er in Hochdeutsch singt - nicht, weil es schlecht wäre, sondern vielmehr, weil man Leonhardsberger ohne seinen Wiener Schmäh gar nicht mehr haben will.

"In mir entsteht eine wahnsinnige Sehnsucht, nach Wien zurückzukehren", sagt Stefan Leonhardsberger irgendwann. Nach den zwei Stunden mit ihm im Diagonal lässt sich diese Sehnsucht nachfühlen, selbst wenn man noch nie in Wien gewesen sein sollte. Und wem die Reise zu weit ist: Bereits am 11. Mai sind Stefan Leonhardsberger und die Pompfüneberer erneut in Ingolstadt zu erleben, dann in der Eventhalle.
 

Bernd Hofmann