München
Große Stars aus wilden Zeiten

Eine Ausstellung in München porträtiert Vertreter des Neuen Deutschen Films

26.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:33 Uhr
Sabine Busch-Frank
Porträts der Stars: Joachim von Vietinghoff, Filmproduzent, ging für das Fotoshooting in der Nähe von Berlin baden - das Bild wurde das Plakatmotiv der Ausstellung über den Neuen Deutschen Film. −Foto: Beat Presser

München (DK) Es war ein Familientreffen, diese Vernissage in der bayerischen Akademie der schönen Künste.

Man fiel sich in die Arme, "Du hier? " und "Weißt Du noch? ". Bussibussi vom Feinsten. Anlässlich der Ausstellungseröffnung waren sie alle da: Edgar Reitz, Michael Verthoeven, Angela Winkler und viele ihrer Wegbegleiter. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Oberhausener Manifest, bei dem damals 26 Filmemacher unter dem Slogan "Papas Kino ist tot" der Filmförderung den Kampf ansagten, den gängigen Spielfilmmoden abschworen und Heimat-, Schlager-, oder Kriminalfilm nach traditioneller Machart unter ihr strenges Verdikt stellten, ist er wieder zurück: Der Neue oder Junge Deutsche Film. Wenn auch diesmal in nostalgisch-musealer Form. Denn der Schweizer Fotograf Beat Presser hat sich auf den Weg gemacht und seine persönlichen Helden der Filmgeschichte ge- und besucht.

Presser, heute 66 Jahre alt, hatte in den 80er-Jahren zwei Filme von Werner Herzog mit Klaus Kinsky fotografisch begleitet. Jemand wie er kann einige Strippen ziehen, wenn es darum gilt, mit Prominenten in Kontakt zu kommen. Bei einem Berlinale-Empfang war ihm klar geworden, dass die Tage gezählt sind, die sie noch unter uns sein werden. Wen er nicht kannte, den sprach seine Projektbetreuerin Nina Orda an, die als Jurybetreuerin der Internationalen Filmfestspiele auch eine gutgefüllte Kontaktliste im Handy haben dürfte.

Er begann zu reisen, nahm auf Anregung des Filmmuseums Frankfurt mit jedem seiner Fotomodells einen Interviewfilm auf und fotografierte sie. Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Treffen mit Otto Sanders oder Werner Schroeter haben sich vor deren Tod nicht mehr realisieren lassen, und manche der hier Porträtierten, wie Bruno Ganz sind inzwischen auch verstorben. Mal nahm sich sein Gegenüber vier Tage lang für das Shooting Zeit, wie der fast 90-jährige Regisseur Peter Lilienthal, mal gab es ein Zeitfenster von 116 Minuten und einen vorgegebenen Ortsradius von wenigen Kilometern, wie bei Wim Wenders Flexibel und flott, geduldig und geschickt zu sein, zeichnen Presser und seine ihn unterstützende Lebensgefährtin Vera Pechel aus. Sie beließen es nicht bei einem Prominenten-Defilier, sondern porträtierten genauso die Gewerke hinter der Kamera: Auch in Bereichen wie Schnitt, Kostüme, Ton und Bühnenbau haben Menschen gearbeitet, deren Leben mit der Filmgeschichte Hand in Hand gegangen ist.

Mit liebevollem Blick fotografiert Presser diese alt gewordenen Kunstgetriebenen an Orten, die in Bezug zu ihrer Arbeit stehen, bei Tätigkeiten die sie lieben oder inmitten ihrer Schätze. Die Bilder allerdings, wie sie in überraschend kleinen Formaten an den Wänden der Akademie hängen öffnen bei aller fotografischen Brillanz auch Leerstellen. Die ganze Ausstellung passt, wie der Fotograf erzählt, in einen Rollkoffer. Wer nicht kundig ist, fragt sich unwillkürlich, wer denn dieser berührende ältere Herr sein mag, der mit entschlossenem Griff ein altmodisches Monstrum von Kamera vor sich hält oder jene Dame, die in einem offensichtlich penibel sortierten Archiv zwei Turnringe von der Decke hängen hat.

Die Bildunterschriften helfen hier nicht immer und nicht jedem. Leider wurde nämlich nach der Absage eines Verlages der geplante Bildband, welcher Interviews verschriftlichen sollte, zugunsten einer Paperback Ausgabe der Texte zurückgestellt. So sollte man nun etwas Zeit und Geduld mitbringen, und auch die auf Bildschirmen präsentierten Filme ansehen, um sie wiederzuerkennen: Die Filmrevolution Nachkriegsdeutschlands, einst laut und radikal, inzwischen faltig und brüchig geworden, aber immer noch da.

Bayerischen Akademie der Schönen Künste am Max Joseph Platz, bis Ende Juli, Di bis Do 11 bis 17 Uhr. Die begleitende Filmreihe zeigt in Filmmuseum und Theatinerkino nicht nur Klassiker der Zeit, sondern lädt auch Zeitzeugen zum Gespräch ein.

Sabine Busch-Frank