München
Große Geste, wuchtige Hymnen

30 Jahre Danzig: Hardrocker feiern in der Tonhalle in München

12.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:23 Uhr

München (DK) Wenige Stunden vor seinem Auftritt in der Tonhalle im Münchner Werksviertel wird Glenn Danzig in einem nahe gelegenen Plattenladen beim Stöbern und Shopping gesichtet.

Wo er sich laut Insiderinformationen etliche Vinyl-Singles von Kiss, Sweet, Slade und Elvis Presley kauft. Aber obwohl der Fan des King Of Rock'n'Roll auch schon Songs von diesem gecovert hat und aufgrund des ähnlichen Timbres gerne mal als "Evil Elvis" oder "Elvis from Hell" bezeichnet wird, finden sich am Abend keine Titel in der Setlist. Zum 30-jährigen Bestehen von Danzig Klassiker der Band natürlich umso mehr. - Natürlich auch der von den etwa 2000 Fans sehnlich erwartete Hit "Mother" aus dem Jahr 1988.

Bis es aber endlich so weit ist, dauert es ziemlich lange. Mit schnellen Doom-Rock-Nummern kann der ukrainischen Support-Act Stoned Jesus ab 20 Uhr zwar durchaus überzeugen, insgesamt enthält das insgesamt 40-minütige Programm aber doch phasenweise zu langatmige Passagen. Und dann muss man auch bei der Wartezeit Geduld aufbringen. Eine ganze Stunde dauert es, bis die Düster-Hardrocker Danzig endlich die Bühne betreten. Ob der Chef noch seine Plattenkäufe durchhören wollte?

Los geht es erwartungsgemäß finster und ziemlich wuchtig mit "Skin Carver", "Eyes Ripping Fire" und "Devil on Hwy 9" - die Halle tobt. Umso mehr als bald auch "Am I Demon" vom 1988er Danzig-Debüt zum Zuge kommt. Fünf Stücke von diesem bringen Glenn Danzig und seine stark und stimmig aufspielende Band, darunter Tommy Victor von den Industrial-Metallern Prong an der Gitarre, an den Mann. Stimmlich ist der immer noch muskulöse Sänger - seine Bodybuilder-Optik brachte ihm seinerzeit den Spitznamen "Schinkengott" ein - in relativ guter Verfassung, wenn er auch gerade bei den wenigen Ansagen doch etwas heiser klingt.

Mit großen Gesten und großen Chören werden Heavy-Hymnen wie "Her Black Wings", "Dirty Black Summer" und das intensive "Tired Of Being Alive" unter das Publikum gewuchtet. Die Stimmung unter den großenteils verwegen aussehenden Anwesenden - erstaunlich viele Gesichtstätowierte - ist ausgelassen, wird aber gelegentlich durch überambitionierte Sicherheitsmitarbeiter getrübt. Immer wieder werden Handy-Filmer mit "stop filming" lautstark zurecht gewissen oder sogar geblendet. Bezeichnenderweise hat das Management keinerlei Pressefotografen zugelassen. Warum, erschließt sich angesichts der Statur und Stimme des Protagonisten nicht, denn der macht eine gute Figur, wenn er theatralisch die Arme ausbreitet oder die geballte Faust reckt. Vor allem mit "Mother", das nach einer guten Stunde die Zugaben einläutet. Zwar fragt Danzig etwas floskelhaft, ob noch mehr Nummern gewünscht sind, aber es bleibt dann doch bei zwei (heiseren) Encores aus der 30-jährigen Bandgeschichte.

Nach 80 Minuten gehen die meisten Fans glücklich nach Hause. Wenn auch die eine oder andere Stimme laut wird, die gerne noch Songs von den Misfits, der wegweisenden Horrorpunk-Band, die Danzig in den 70ern gegründet hat, oder der Nachfolgeformation Samhaim gehört hätte. Wobei das zur "30th Anniversary Tour" nur bedingt gepasst hätte. Vielleicht ja dann das nächste Mal.

Martin Buchenberger