Gediegenes Gruseln

Mehr Kult als Schocker ist Alice Cooper inzwischen - ein Ingolstädter Fan verehrt den Rockstar seit Jahrzehnten

19.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:18 Uhr
Eine Sonderausgabe der Alice-Cooper-Single "Love Is A Loaded Gun" ist ein Sammlerstück, das Karin Böhm besonders am Herzen liegt. Hier ist sie in ihrem "Cooper-Zimmer". −Foto: Csapó

Ingolstadt - Er hat sich auf der Bühne schein-enthaupten und -erhängen lassen, mit greller Schminke und abgefahrenen Kostümen diente er als Vorlage für Frank-N-Furter in der Rocky Horror Picture Show, er spielt leidenschaftlich Golf, er hat das "O" des Hollywood-Schriftzugs in Los Angeles gekauft und er ist einer der größten Rockstars der Welt - Alice Cooper.

 

Diesen Samstag sollte der Vater des Schockrocks für das Konzert "Rock meets Classic" nach Ingolstadt kommen, eine wollte unbedingt dabei sein: Karin Böhm, 58 Jahre alt, zwei Kinder, kaufmännische Angestellte und großer Alice-Cooper-Fan. Wegen des Coronavirus kann das Konzert nun nicht stattfinden. Karin Böhm sagt; "Darüber bin ich wirklich am Boden zerstört. Ich habe mich monatelang darauf gefreut und jetzt ist alles abgesagt. " Ob das Konzert mit Alice Cooper nachgeholt werden kann, ist noch nicht klar.

Bevor das Coronavirus ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, hat Karin Böhm in Vorfreude auf das Konzert am 4. Februar - das war Coopers 72. Geburtstag - in ihre Wohnung eingeladen, die kostbare Fanartikel birgt.

"Welcome to My Nightmare", sagt Karin Böhm beim Öffnen der Haustüre. Sie hat pechschwarze Haare, die Augen sind dunkel mit Kajal umrandet, sie trägt ein "Billion Dollar Babies"-T-Shirt und darüber eine Jeans-Kutte mit Band-Aufnähern, Buttons und einem Alice-Cooper-Schriftzug auf dem Rücken. "Den habe ich selbst gestickt, mit 18", sagt sie. In diesem Alter etwa ist Karin Böhm über Freunde und durch Artikel in der Zeitschrift "Bravo" auf Alice Cooper gestoßen: "Das hat mir einfach gefallen, weil das etwas ganz Anderes war, vor allem die Horrorshows. "

Dass Alice Cooper immer hundert Prozent gibt auf der Bühne, sich Gedanken über die Inszenierung macht, das findet Karin Böhm beeindruckend. "Und privat kommt er sehr bodenständig rüber, er engagiert sich, ist sozialkritisch - ein Familienmensch, der sonntags in die Kirche geht", sagt sie.

Irgendwann hat Karin Böhm begonnen, Fanartikel zu sammeln. Dabei war das früher gar nicht so einfach, an die Sachen heranzukommen: "Da ist man noch auf Plattenbörsen gegangen, hat Kontakte geknüpft und so wieder ein paar tolle Stücke bekommen. " Vieles hat sie auch in den Staaten oder aus Holland bestellt. "Wenn man dann einmal in der Schiene ist, kommt man nicht mehr weg. ".

Karin Böhm sucht eine Schallplatte heraus, es sind Live-Aufnahmen von Alice Cooper von 1969 bis 1984, "Under My Wheels" ist das erste Stück. "Mein CD-Player ist gerade erst kaputtgegangen, deshalb nehme ich jetzt Platten, die kann man nicht aufarbeiten", erzählt sie. Allerdings besitzt sie inzwischen 150 CDs von Alice Cooper. "Ich weiß schon, das ist eigenartig, denn er hat ja nur 27 gemacht. " Der Grund ist, dass es bei den Ausgaben der Alben unterschiedliche Cover in verschiedenen Ländern gibt, erklärt sie. In den Achtzigern vor allem habe sie einen Spleen gehabt, gibt Böhm zu, aber heute kauft sie nicht mehr so viel - "außer ich sehe ein ganz besonderes Stück". Besondere Stücke sind zum Beispiel limitierte Auflagen von Schallplatten in Gold oder Platin - mit ihre teuersten Stücke. Sie besitzt viele Single-Platten, zum Teil Sammlerstücke: "Manche sind wirklich uralte Dinger, die gibt es heute fast nicht mehr auf dem Markt. "

Im Wohnzimmer steht außerdem eine Frankenstein-Büste, die ebenfalls Bezug zu Cooper hat, der selbst Horrorfilme dreht und spielt und großer Frankenstein-Fan ist. Ein weiterer Schatz ist eine von Cooper und Marilyn Manson signierte Autogrammkarte. Manson ließ sich wie viele andere von Coopers Horrorshows inspirieren.

Auf die Frage, was nun ihr Lieblingsstück ist, stellt Karin Böhm klar: "Das war gerade mal das Vorzimmer, die richtige Schätze sind im Cooper-Zimmer. " Einen Raum weiter offenbart sich, das Wohnzimmer war tatsächlich erst der Anfang. In Karin Böhms Büro sind die Wände bis zur Decke mit Bildern und Postern von Alice Cooper bestückt, es gibt Figuren, Ordner voll mit Zeitungsartikeln und Magazinen und eine Vitrine mit unzähligen Fanartikeln. "Ich hab so viele Sachen, manchmal weiß ich nicht mal mehr selber, was ich habe. " In der Vitrine stehen auch ihre Lieblinge: Besondere Sammler-Ausgaben von "Poison" und "Love Is A Loaded Gun", die die CD in aufwendigen Papp-Verpackungen verstecken. Was Karin Böhm auch aufgehoben hat, sind eine Menge Zeitungsartikel, unter anderem über das erste Konzert von Alice Cooper, das sie 1986 in der Rudi-Sedlmayer-Halle (jetzt Audi Dome) in München gesehen hat. "Das war die Constrictor-Tour, da war ich gerade über 20. Davor hätte ich mir Konzerte gar nicht leisten können. " Das Konzert ist damals von den Behörden sogar auf eine Altersgrenze von 18 Jahren beschränkt worden. Seitdem ist Karin Böhm auf 15 Konzerten von Alice Cooper gewesen.

"Ich gehe aber auf x Konzerte im Jahr und höre mir natürlich auch andere Rockmusik an, Iron Maiden, Metallica oder Manowar. " Alice Cooper aber war immer der Favorit, meint Karin Böhm. "Da hab ich meine ganze Familie damit genervt, die glauben, ich spinne. " Karin Böhms Lebensgefährte mag die Musik von Alice Cooper: "Das ginge auch gar nicht anders", sagt sie. Ihre älteste Tochter, inzwischen 37, hat sie immer mitgenommen auf Konzerte: "Die hat schon im Babybauch Alice Cooper gehört. " Auch heute ziehen die beiden zusammen los - die Augen selbstverständlich so schwarz geschminkt wie das Idol selbst.

Ihr größter Wunsch ist, Alice Cooper einmal persönlich zu begegnen, das wollte sie bei "Rock meets Classic" probieren. Ob Alice Cooper demnächst doch noch nach Ingolstadt kommen wird, bleibt abzuwarten, Karin Böhm sagt: "Ich hoffe aber, dass er bald wieder in Deutschland auftritt und ich ihn dann wenigstens nochmal live erleben kann. "

DK

Laura Csapó