Ferienfreizeit für Erwachsene

Wenn Schluss mit Idylle am Brombachsee ist, dann können es nur die "Lieder am See" sein, die das Ufer in ein sommerliches Festivalgelände verwandeln. Während für die Jungen Namika und Max Giesinger auf der Bühne stehen, freut sich die ältere Generation auf BAP. <?MAK TagName="Uni" Vorschub="16dp" SchriftStil="0" SchriftGroesse="8,4dp" EinzugAbsatz="0ru" SchriftArt="ITC Franklin Gothic Book"> Von Anna Hecker<?_MAK> <?ZE>

04.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:21 Uhr
Die Bands Gotthard (links) und 10cc brachten am Nachmittag Rock und Reggae auf die Bühne am Brombachsee. Unter die Festivalgäste mischte sich auch ein schauriges Skelett mir Gummi-Krokodil. −Foto: Hertlein

Wenn Schluss mit Idylle am Brombachsee ist, dann können es nur die "Lieder am See" sein, die das Ufer in ein sommerliches Festivalgelände verwandeln. Während für die Jungen Namika und Max Giesinger auf der Bühne stehen, freut sich die ältere Generation auf BAP.

Enderndorf/Spalt (DK) Ruhig treiben einige Segelboote auf dem Wasser. Am Strand spielen Kinder mit ihren Eltern Ball. Dann ein lauter Knall. Der erste Akkord der Elektrogitarre wummert zitternd über das Gelände. "Lieder am See" steht auf dem riesigen schwarzen Banner hoch über der Bühne. Das Ufer des Brombachsees verwandelt sich in ein pulsierendes Festival. Statt romantischer Urlaubsidylle ist das Gelände nun eine Ferienfreizeit für Erwachsene - eine Freizeit, bei der BAP, Gotthard und 10cc als Unterhaltungskünstler auftreten.

"Lieder am See" - das klingt nach Lagerfeuer, Gitarrenmusik und kuscheligen Stunden. Und tatsächlich sieht man Gitarren und eng tanzende Menschen, die sich am Seeufer um die Bühne drängen. Doch weder kuschlig noch romantisch ist die Stimmung des Festivalpublikums. Schon am frühen Nachmittag dröhnt die kraftvolle Stimme einer echten "Rock-Röhre" durch den beschaulichen Ort. Mother's Finest stehen auf der Bühne und das, was "Baby Jean" da aus ihren Stimmbändern rausholt, klingt so gar nicht nach zierlichem Kleinkind. Joyce Jean Kennedy, Sängerin und Mitgründerin der Band, kratzt mit derb-rassiger Note an den tiefen Tönen und hat eine gehörige Portion Soul in der Stimme. Als sich Mother's Finest nach einer Stunde verabschieden, hat sich vor der Bühne ein harter Kern an Fans gebildet, der sich bis in die Nacht hartnäckig vor den riesigen Lautsprechern halten wird.

"Lieder am See" fühlt sich trotz kernigen Rocks wie Urlaub an. Am Sandstrand reiht sich Decke an Decke, einzelne Besucher wagen sich trotz der immer wieder über den Himmel ziehenden Regenwolken ins kühle Nass. Manche Gäste, die zwischenzeitlich eine kleine Pause von Rock und Pop brauchen, leihen sich kurzerhand beim Fahrradverleih vor Ort ein Mountenbike aus und entspannen bei einer Tour über die Deiche. Auch auf dem Gelände herrscht Urlaubsstimmung. Vor allem zwischen den Auftritten auf der Hauptbühne erinnert das Ufer des Brombachsees an ein kleines Feriendorf: Während vor den Foodtrucks mit Pizza, Burgern und ungarischem Langos die Schlangen nie kürzer werden, durchforsten einige grauhaarige Altrocker begeistert die Pappkartons mit Schallplatten. Wieso nicht gleich ein Album von BAP mitnehmen, als Andenken an die kultige Kölschrock-Band, die als Headliner des Festivals gebucht ist? Am Badestrand wird währenddessen gefachsimpelt: Spielt die Zwischenband auf der Biergartenbühne da tatsächliche gerade "School" von Supertramp? Doch zu spät, die letzten Töne verhallen und "Knockin' on Heaven's Door" schallt über das Gelände.

Die Besucher haben sich einen Rhythmus angeeignet, der doch stark an Ebbe und Flut erinnert. Bei jedem Auftritt auf der großen Bühne wogt das Publikum in das Zentrum des Geländes und schwappt kraftvoll an den Bühnenrand. Dann, wenn die letzten Töne von Fischer-Z oder 10cc verklungen sind, zieht sich das Publikumsmeer wieder zurück und verteilt sich erneut über das Gelände.

Musikalisch ist das Festival deutlich statischer, die kurzen Ausflüge in Heavy und Soul werden von dominantem Rock überlagert. Fischer-Z ist zwar deutlich "beswingter" als Mother's Finest, lassen aber nur sehr portioniert ein paar Tropfen Reggae einfließen und unterhalten auch mit bissigen Sprüchen ("Können wir Angela Merkel gegen unseren Boris Johnson austauschen"). Auch bei 10cc kommen kurz Bob-Marley-Rhythmen aufs Parkett, dann geht es eher Richtung Toto, wenn die Band beim Refrain mit harmonischem Chorgesang überzeugt. In ihrer Zugabe versteckt sich schließlich ein kleines Highlight, als die fünf Musiker sich vor dem eigentlichen Schlusslied kurz in einem Kreis zusammen stellen und fingerschnippend a cappella singen.

Als sich nach über zwei Stunden kurz wieder die Sonne blicken lässt, stehen gerade Gotthard auf der Bühne. Die Schweizer Hardrocker sprühen nur so vor Energie und guter Laune, wenn Frontsänger Nic Maeder von Ex-Freundinnen, die Autos demolieren, erzählt und nicht müde wird, das Publikum zum Mitklatschen zu animieren.

Wabernd bewegt sich schließlich eine schummrige Masse vor der grell beleuchteten Bühne, als sich die Dunkelheit endgültig über das Festivalgelände am Brombachsee gelegt hat. "Das sieht wirklich toll aus von hier oben", ruft Wolfgang Niedecken von der Bühne ins Publikum. "Ganz hervorragende Handarbeit." Der Frontsänger von BAP markiert den Höhepunkt und gleichzeitig das Ende von "Lieder am See", einem Festival, das viel mehr als ein lauschiger Lagerfeuerabend und doch entspannend ist - Urlaub eben, mit einer guten Prise Bühnenrock.