Köln
Fair bleiben

Mit einer Initiative wollen Künstler darauf aufmerksam machen, dass ihre Arbeit auch bezahlt werden sollte

27.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:51 Uhr
Sabine Busch-Frank
Der Jazz-Violinist und Sänger Lando van Herzog hat die Initiative "Project fair play" gegründet, die ähnlich wie das "Fairtrade"-Siegel funktionieren soll. −Foto: Foto: Galuschka

Köln (DK) Dass Kunst brotlos ist, weiß nicht nur das Sprichwort, vor allem spürt es mancher Künstler.

Aber achselzuckend hinnehmen, dass man von seinem Beruf, von dem, was man am Besten kann und wo man vollen Einsatz bringt, einfach nicht leben kann? Nein, findet der Kölner Jazz-Violinist und Sänger Lando van Herzog und hat die Aktion "Project fair play" ins Leben gerufen. Das Manifest der Aktion bildet ein Musik Konzept-Album, bei welchem von den Kölner Domsingknaben bis Hella von Sinnen eine bunte Mischung von Künstlern beteiligt ist. Auch Frank Schätzing oder die Söhne Mannheims sind mit Texten und Songs zum Thema vertreten. Sie wollen Impulse geben, aufrütteln und eine Bewegung initiieren, die sich am "Fairtrade"-Siegel orientiert.

Wer Kunst, gleich welcher Sparte, konsumiert, soll den Künstler dafür bezahlen. Was bei Bäcker und Installateur selbstverständlich ist, erscheint nämlich vielen Zuschauern, Zuhörern und Lesern als verzichtbar. Dabei könnte man denken, dass in Deutschland, wo eines der konsequentesten Urheberrechte der Welt gilt, das jedem Künstler - oder seinem Erbe - sogar noch 70 Jahre nach seinem Tod die Rechte an seinem geistigen Eigentum sichert, wo VG Wort und Gema kräftig Gebühren eintreiben und unter ihren Mitgliedern verteilen, nur noch mangelnder Erfolg den Künstler ins Sozialamt treiben kann. Weit gefehlt! Historisch gesehen befindet sich die Kultur seit dem Erfolgskurs von Streaming und Download in einer Krise, die in ihrer Dramatik der Erfindung des Grammofons (und dem damit zusammenhängenden Ensemblesterben) oder der Verdrängung der Bühnenkunst durch Kino und später Fernsehen nicht nachsteht.
Der Weltverband der Phonoindustrie IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) hat herausgefunden, dass in Deutschland fast die Hälfte des Musikstreamings über Videostreamingdienste wie YouTube stattfindet. Der Mutterkonzern Google hat sich zwar mittlerweile mit der Gema in Deutschland auf einen Ausschüttungsmodus geeinigt, die Preisgestaltung des amerikanischen Multikonzerns empfindet aber die IFPI alles andere als fair. Die große Freiheit, immer und überall auf Filme und Clips zuzugreifen, hat ihren Preis - und den zahlt am Ende der Künstler, so van Herzog: "Plattformbetreiber wie YouTube nutzen rechtliche Schlupflöcher aus, um die Urheber der Werke entweder gar nicht oder obszön unter Wert zu vergüten, also auszubeuten. Ein Milliarden-Dollar-Geschäft mit unseren Songs und wir sehen davon kaum einen Cent. "

Der Kampf gegen den Giganten ist aber gerade für die zahlreichen "normalen" Künstler, hinter welchen keine große Agentur oder ein Konzern stehen, schwierig. Van Herzog und seine Mitstreiter wollen sich darauf auch gar nicht erst einlassen: "Wir Kulturschaffenden sitzen alle in einem Boot, das bereits Schlagseite hat", findet er. "Wir befürworten daher jegliche Maßnahme des Gesetzgebers, die den Schutz geistigen Eigentums fördert. Unser Ansatz ist aber ein ganz anderer - wir fordern ja nicht technische Regulierung, wie zum Beispiel den Kopierschutz, diese technischen Lösungen gibt es ja und sie haben meistens versagt. Wir fordern also nicht die Gerichte auf, sondern den Menschen selbst: "Fair play" gegenüber unserer Arbeit! Es reicht nicht aus, wenn, wie Umfragen ergeben haben, nur die Hälfte der Konsumenten bereit ist, für eine Leistung wie Musik auch zu zahlen. "

Die Angebote aus dem Internet, wo man hier ein Häppchen und dort ein Filmchen gratis bekommen kann, sind natürlich verführerisch. Aber oft kauft man eben danach keine Kinokarte, nicht das ganze Buch, lädt sich den Zeitungsartikel nicht kostenpflichtig in ganzer Länge auf den PC. Das Netz verführt zum Gratiskonsum am Rande der Legalität. Van Herzog ist zum Mentor für die Bewegung geworden, als er merkte, dass er selbst um seine Tantiemen gebracht wurde. Seither hat er sechs Jahre lang dafür gearbeitet, für die Finanzierung des Albums sogar eine seiner beiden Violinen verkauft. Über diese Zeit hin ist er ein Lobbyist im besten Sinne geworden, der geübt Statements und Argumente zur Sache liefert.

Dabei ist er nicht so naiv, die Uhr zurückdrehen zu wollen - auch das Projekt selbst kann man ja im Download käuflich erwerben und Appetithappen dafür sogar gratis anhören. Dazu sagt der Künstler: "Ich will das Streaming nicht verteufeln, aber so wie bei YouTube ist es kriminell. Spotify zum Beispiel ist ja legal und für den User sehr vorteilhaft. Aber für den Künstler, der aus Deutschland kommt und der nicht sehr bekannt ist, fällt eben kaum etwas ab. Wir haben da eine Kette: Den verwöhnten Konsumenten, die Vermittler, die ihre eigenen Interessen haben und abhängig vom wenig geldausgebenden Konsumenten sind und dann als schwächstes Glied den Künstler. Bei abonnementbasierten/lizenzierten Audiostreamingdiensten wie Spotify erhält der Künstler eine Beteiligung, die jedoch von den Musikkonzernen verhandelt werden. Streamingdienste sind derzeit für - insbesondere deutschsprachige - Musiker keine lukrative Einnahmequelle, sofern sie keine hohe Gewinnbeteiligung mit den Musikfirmen ausgehandelt haben. "

So bleibt also für alle, die Musik lieben, gerne lesen oder sich dem Film verschrieben haben, die Aufforderung, das eigene Konsumverhalten kritisch zu überdenken. Was im Sport und beim Kauf von Kaffeebohnen schon lange Thema ist, sollte sich doch auch im Umgang mit den wirklich schönen Dingen des Lebens realisieren lassen: Fair bleiben.

Sabine Busch-Frank