Ingolstadt
Elegante Schlichtheit, mitreißende Virtuosität

Yojo Christens bejubeltes Benefiz-Klavierkonzert beim Rotary-Club Ingolstadt

14.06.2021 | Stand 23.06.2021, 3:33 Uhr
Yojo Christen. −Foto: Haberl

Ingolstadt - "Jetzt hab ich so lange nicht gespielt - ich bin selbst erstaunt, dass ich's noch kann!

", scherzte der junge, von der Fachwelt hochgelobte Pianist Yojo Christen, als er nach der einführenden Begrüßung durch Martin Beck (Präsident des Rotary Clubs Ingolstadt) und Florian Zwipf-Zacharia (Hauptorganisator der Benefizkonzerte von Rotary Deutschland) den Abend mit Mozarts A-Dur-Sonate KV 331 und deren berühmtem "Alla-Turca"-Finale eröffnet hatte. Obwohl oder besser gesagt, gerade weil er als Künstler selbst von den monatelangen Veranstaltungsausfällen betroffen ist, gab er ein großartiges Benefizkonzert beim Rotary-Club Ingolstadt zugunsten existenziell bedrohter Kammermusiker im Rudolf-Koller-Saal der VHS. Vor einem reduziert gehaltenen Live-Publikum, zugleich übertragen als Online-Stream.

Christens Markenzeichen sind seine immense Kraft im Anschlag, seine enorme Wendigkeit, seine brillante Technik, mit der er die Finger über die Tasten schnellen lässt. Voll und ganz ausleben kann er das etwa bei Gershwins "Rhapsodie in Blue", zu der er eine eigene, höchst anspruchsvolle Solofassung arrangiert hat und die inzwischen fast so etwas wie sein Paradestück geworden ist. Interessanterweise geht Christen das opulente Werk weniger von der jazzig groovenden Bluesrhythmik her an, sein Zugriff kommt eher aus der klassischen Sinfonik heraus gedacht. Obwohl er den langsameren Passagen ihren gebührenden, empfindsam interpretierten Raum gibt, setzt der 25-Jährige hier ganz auf wirkungsvolles Tempo und sprudelnde Rasanz, auf energetisch aufgeladene, atemberaubende Akkordballungen, auf mitreißende, fulminante Virtuosität.

Diese ihm eigene, geradezu sensationelle Virtuosität steht für Yojo Christen auch bei Beethovens "Appassionata" im Vordergrund. Indem er dafür einen raschen, eher leicht angelegten Grundton wählt, verliert er nie die Kontrolle über die expressive Gedrängtheit, die stürmischen Verläufe, den leidenschaftlichen Gestus der Sonate, das innere Ringen zwischen trügerischem Trost und düsterer Verzweiflung. Immer wartet er den für ihn richtigen Moment für den Beginn eines Satzes ab, wohldosiert zügelt er die temperamentvoll pulsierenden Emotionen, stets behält er den Blick aufs große Ganze. Gigantisch der Finalsatz, wo er dem fast maßlos-manisch scheinenden Bewegungsdrang der Musik, dem rasend sich aufbäumenden Wettrennen der Sechzehntel- und Presto-Kaskaden schließlich freien, entfesselten Lauf lässt. Grandios!

Mozarts 11. Klaviersonate zu Beginn des Konzerts nimmt Christen dagegen anregend schlicht, elegant, in zügiger Konzentriertheit, ohne sich in übermäßigen Gefühlsergüssen zu verlieren. Bevor er beim "türkischen" Schlussrondo mit allen pointierten, flinken Raffinessen der Klangdynamik aufzutrumpfen weiß.

Am Ende stehen Eigenkompositionen des Pianisten: Ein filigranes "Präludium in C-Dur", das Christen im Alter von nur zehn Jahren schrieb, ganz im klassischen Stil gehalten. Unglaublich, über wie viel Fantasie und improvisatorisches Gespür er bereits in diesem zarten Alter verfügte - und in welcher Eindrücklichkeit sich beides bis heute weiterentwickelt hat. Und auch die drei Charakterstücke - "Harlekin" mit seiner nachdenklich-melancholischen Stimmung, die glitzernd flirrende "Sternennacht" sowie die poetische, romantisiert-verklärte "Träumerei" (natürlich denkt man da sofort an Schumann) - verfehlten ihre magische Wirkung auf das Publikum nicht.

Unter begeistertem Applaus wurde Yojo Christen erst nach einer Zugabe, der bravourösen Toccata von Aram Chatschaturjan, von der Bühne gelassen. Ein spektakuläres Konzert - das hoffentlich die Spendenfreudigkeit (nicht nur) der Zuhörer für die Hilfsaktion "Tag der Kammermusik" unter der Schirmherrschaft von Stargeigerin Anne-Sophie Mutter gehörig animiert.

DK


Spendenkonto: IBAN: DE66 7215 0000 0000 0073 93, Verwendungszweck: Benefizkonzert.