München
Eine Art moderne Hexenjagd

"Rufmord" ist ein spannender Film über Cyber-Mobbing

08.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:54 Uhr
Starke schauspielerische Leistung: Lehrerin Luisa (Rosalie Thomass) erlebt einen Albtraum. Sie wird Opfer von Cyber-Mobbing. −Foto: ZDF/Heiden

München (DK) Eine junge Lehrerin wird vermisst.

Die Polizei sucht nach ihr - an einem See, wo ihre Kleidung gefunden wird, und in ihrer Wohnung, wo man Blutspuren entdeckt. Wurde die Frau Opfer eines Verbrechens? So beginnt das Krimidrama "Rufmord", das im Sommer beim Filmfest München mit dem begehrten Bernd-Burgemeister-Preis ausgezeichnet. Dann wird Stück für Stück die Vorgeschichte ausgebreitet, in der die Frau einen Albtraum erlebt.

Luisa ist Grundschullehrerin in der bayerischen Provinz. Sie hat einen Freund, ist beliebt bei Schülern und Kollegen. Als der Unternehmer Georg Bär (Johann von Bülow) ihr durch eine großzügige Spende an die Schule deutlich machen will, dass sein Sohn trotz mangelhafter Leistungen die Gymnasialempfehlung bekommen soll, lässt sie sich nicht darauf ein. Kurz darauf wird sie Opfer einer CyberMobbing-Attacke. Auf der Homepage der Schule taucht ein Nacktfoto von ihr auf. Das Bild hatte ihre Ex gemacht, doch der leugnet etwas damit zu tun zu haben. Das Foto wird per Mail weiterverbreitet, Als Luisa Georg Bär anzeigt, eskaliert die Lage. Lehrerschaft, Eltern und auch ihr Freund Finn (Shenja Lacher) gehen mehr und mehr auf Distanz zu ihr. Luisa erleidet einen Nervenzusammenbruch. Nach einem Klinikaufenthalt ist sie plötzlich weg. Eine Kommissarin (Verena Altenberger) aus der Stadt untersucht das Verschwinden.

Es geht um Verleumdung, Verrat und Intrigen, die durch Internet und soziale Netzwerke weit intensiver und schneller ihre Wirkung erzielen. Die Autorinnen Claudia Kaufmann und Britta Stöckle führen vor Augen, wie brüchig soziale Beziehungen sein können, wie schnell Menschen sich von Meinungen und Lügen verunsichern lassen und bereit sind, diese auch zu glauben. Es ist eine Art moderne Hexenjagd, die hier stattfindet und eine Frau in die Isolation treibt.

Die junge Schweizer Regisseurin Viviane Andereggen erzählt diese Geschichte nicht düster, sondern farbenfroh und hell. Die Bilder bieten so einen ästhetischen Gegensatz zu dem inhaltlichen Spießrutenlaufen der Protagonistin. Geschickt und stilsicher werden Ereignisse aus der Vergangenheit und die aktuellen Ermittlungen miteinander verknüpft. Das erhöht die Spannung. Und mit zunehmender Dauer beginnt sich die Geschichte zu drehen, aus der Frau, die alles erdulden muss und sich erfolglos wehrt, wird eine Frau, die das Heft des Handelns in die Hand nimmt.

Rosalie Thomass ist eine Wucht. Vor 13 Jahren begann ihre Schauspielkarriere fulminant in Dominik Grafs "Polizeiruf 110: Er sollte tot". Es folgte die Rosenmüller-Trilogie "Beste Zeit", "Beste Gegend" und "Beste Chance", zuletzt glänzte sie in "Grüsse aus Fukushima" und als "Eine unerhörte Frau". Und jetzt diese Luisa: Lebensfroh, vital, neugierig ist sie zu Beginn, wütend, verzweifelt, einsam wird sie durch den Albtraum, den sie erlebt. Beeindruckend souverän und kraftvoll spielt sich Rosalie Thomass durch die Gefühlslagen. Eine starke Leistung.

Rufmord läuft heute um 20.15 Uhr auf Arte.

Volker Bergmeister