Ein starkes Plädoyer für die Musik

Daniel Harding dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

06.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:46 Uhr
Marco Frei
Spannendes Programm: Daniel Harding bei der Probe mit den BR-Symphonikern. −Foto: BR

München - In der Corona-Pandemie blühen einige Klangkörper zu Höchstform auf.

Manche Corona-Konzerte wünschte man sich auch für die Zeit danach. Die ersten Konzerte mit Publikum beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) zählen fraglos dazu. Auch mit dem Publikumskonzert unter der Leitung von Daniel Harding hat der Klangkörper einmal mehr deutlich gemacht, dass er zu den absoluten Top-Größen der weltweiten Orchester-Elite zählt.

Das Konzert im Münchner Herkulessaal war durchwegs ein Hochgenuss allererster Güte. Allein die Wahl der Werke war eine Freude. Neben den "Metamorphosen" für 23 Solo-Streicher von Richard Strauss gab es reine Bläser-Sätze von Giovanni Gabrieli, Benjamin Britten und Toru Takemitsu. Damit standen die solistischen Fähigkeiten der Orchester-Mitglieder klar im Fokus. Noch dazu wurde ein sinnstiftender Bogen gespannt.

Ob die Spät-Renaissance in Gabrielis "Sacrae Symphoniae" oder die spirituelle Klangsinnlichkeit der "Signals from Heaven" des Japaners Takemitsu aus dem Jahr 1987: An der Transparenz und Brillanz der BR-Bläser konnte man sich nicht satt hören. In seinem "Russian Funeral" verarbeitet Britten hingegen den Trauerchoral "Unsterbliche Opfer". Dahinter steckt ein populärer Revolutionsgesang aus Russland, den Dmitri Schostakowitsch in seiner Sinfonie Nr. 11 zitiert.

Durch den deutschen Dirigenten Hermann Scherchen wurde der Choral in Westeuropa populär. In seinem "Concerto funebre" von 1939 verarbeitet ihn auch Karl Amadeus Hartmann. Damit reagierte der Münchner Komponist auf den Einmarsch deutscher Truppen in Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Auch seine "Metamorphosen" von 1945 lässt Strauss um diesen Klagechoral subtil kreisen.

Gegen Ende wird zudem der Trauermarsch aus der Sinfonie Nr. 3 "Eroica" von Beethoven zitiert. Damit setzte Strauss dem kriegszerstörten München ein Denk- und Mahnmal. Auch in dieser "Studie für 23 Solo-Streicher" präsentierten sich die BR-Symphoniker von ihrer besten Seite. Trotz der Abstände zwischen den Musikern, die eine direkte, hellhörige Reaktion im Musizieren erschwerte, kam ein fließendes Narrativ heraus. Zwar waren die Binnen-Tempi etwas langsam gewählt, aber atmosphärisch dicht.

Im Herkulessaal herrschte absolute Konzentration. Auch der BR-Intendant Ulrich Wilhelm saß im Publikum und schien das Konzert zu genießen. Gut so, denn: Als Folge der Corona-Pandemie wurde bereits eine Wiederbelebung der alten Fusionspläne der hauseigenen BR-Orchester befürchtet. Schon 2005 gab es Pläne, die BR-Symphoniker mit dem Münchner Rundfunkorchester zusammenzulegen. Lautstrake Proteste hatten das damals verhindert. Auf die spontane Nachfrage, ob er die alten Fusionspläne von damals wiederbeleben wolle, antwortete Wilhelm mit deutlichen Worten. "Vom wem haben Sie denn das gehört? Das ist Unsinn! Mist! " Nun sind Worte relativ, aber: Für Wilhelm ist dieser energische Nachdruck ungewöhnlich. Das ist eine klare Ansage und somit eine Garantie. Aus dieser Nummer kommt man nicht mehr so einfach heraus. Eines steht fest: Auf die BR-Klangkörper können Bayern und ganz Deutschland stolz sein.

DK


Marco Frei