Ingolstadt
Ein Tornado fegt durch die Republik

Wortgewaltig und originell: Arnulf Rating mit seinem aktuellen Programm bei den Ingolstädter Kabaretttagen

31.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:50 Uhr
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen", zitiert Arnulf Rating Friedrich Schiller. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) "Was ist denn bei euch in Ingolstadt los?

", fragt Arnulf Rating, der altgediente Recke des deutschen Politkabaretts, gleich zu Beginn. "Stillstand bei Audi, Funktionäre im Visier der Justiz, Endzeitstimmung beim FCI. Und hier in der Neuen Welt gibt's nichts Anständiges mehr zu essen. " Weswegen er gleich mal kräftig in ein halbes, von außerhalb eingeschmuggeltes Grillhendl beißt. Auf der Bühne. Vor allen Leuten. "Das ist die billigste Form, um an Antibiotika zu kommen", sagt er.

Von 1977 bis 1990 war Rating Teil der Anarchotruppe "Die 3 Tornados". Vermutlich deswegen heißt sein Programm, das er bei den Kabaretttagen in der Neuen Welt vorstellt, auch "Tornado". Heute ist er selber einer. Zumindest dann, wenn man seine Wortdichte pro Minute als Maßstab anlegt. Der Mann ist schnell, sehr schnell sogar. Es gibt aber auch viel zu sagen. Es gilt, das Tagesgeschehen zu kommentieren, wie immer bei ihm nach der Methode "Mittags erstmals in den Nachrichten, abends bei Rating auf der Bühne". Es gilt nachzudenken über Volksparteien ohne Wahlvolk im Allgemeinen und die Ergebnisse der letzten Landtagswahl in Ingolstadt im Besonderen. Es gilt zurückzublenden in eine Zeit, als Berlin noch die sicherste Stadt der Welt war (Rating: "Kein Wunder, es war auch eine Mauer drumherum! ") und es noch Telefonzellen gab ("Für die Jüngeren unter Ihnen: Das waren begehbare Handys"). Es gilt zu räsonieren über Billigdiscounter, über Wahlurne und Biotonne als Säulen der Demokratie und über die Frage, warum Politiker eigentlich kein Ausbildungsberuf ist.

Wie immer ist ein Abend von und mit Arnulf Rating ein Rundumschlag, wie immer gibt es bei ihm eine ganz spezielle Form von Presseschau, triefen seine Einlassungen nur so vor Sarkasmus. Wie immer wird nichts und niemand verschont. Auch nicht die eigene Klientel. "Warum machen wir das alles eigentlich mit? ", fragt er, um gleich darauf Friedrich Schiller zu zitieren. "Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen. "

Die zweite Hälfte des Programms nutzt er, um sich Fragen zuzuwenden wie "Wie manipuliert man am geschicktesten die öffentliche Meinung? " oder "Wie baut man effektiv ein falsches Feindbild auf? ", garniert seine absolut schlüssige Beweisführung mit überaus passenden Beispielen und präsentiert seine Anklageschrift so, dass auch die Lachfrequenz beim Publikum stimmt.

Am Ende ist es wie immer bei Rating. Man ist als Zuhörer nahezu erschlagen von der Informationsdichte, seiner Gedankenführung, den kleinen immer wieder eingeschobenen sprachlichen Boshaftigkeiten, der Rasanz seines Vortags. Auch viele Jahre nach den "3 Tornados" ist Rating immer noch einer der besten Spötter, die wir hierzulande haben. Ein echter Überzeugungstäter, dessen aktuelles Soloprogramm seine Kurzauftritte in der "Anstalt" eindeutig noch toppt.

Karl Leitner