Ein Instagram-Account für Johannes

Das Theater Salz+Pfeffer schickt "Puppen auf Urlaub" und zeigt, was sie in Gastfamilien erleben

14.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:38 Uhr
  −Foto: Haase, Reuschl

Nürnberg - Die Theater sind zu.

Und die Schauspieler können nicht spielen. Auch das Ensemble der Nürnberger Bühne Salz+Pfeffer hat nichts zu tun. Deshalb hat die Direktion beschlossen, die Akteure in den Urlaub zu schicken. Also wurden Gastfamilien gesucht, die den Puppen - schließlich handelt es sich um ein Figurentheater - einen dreiwöchigen Tapetenwechsel verschaffen. Was sie dort alles erleben, kann man sich in drei Filmen von etwa 20 Minuten ansehen - auf der Homepage des internationalen Figurentheaterfestivals. Denn in Kooperation mit den Festivalmachern wurde das Projekt realisiert.

Ausgedacht haben sich das Format "Puppen auf Urlaub" Christine Haas und Marie Erlewein, die Figurentheaterpädagoginnen von Salz+Pfeffer. Acht Figuren haben sie ausgewählt, die von der Größe und vom Gewicht her gut zu transportieren sind - und an passende Gastfamilien vermittelt: den Mann mit dem Koffer, August Haselböck, Helga Lämpel, die Königin aus dem "Tapferen Schneiderlein" und ihren Sohn Johannes, die kleine Nimitz, die gewöhnlich Schafe zählt, Arthur mit der dicken Knubbelnase und dem melancholischen Blick und den futuristischen Herr von Flieger.

Alle zwei Tage schicken die beiden Theaterfrauen Impulse, was man mit den Puppen denn alles so anstellen könnte: Wohnungsbesichtigung, Besuch am Arbeitsplatz, Ausflug, Spieleabend. All das wird auf Foto und Video festgehalten und ans Theater geschickt. Und regelmäßig treffen sich alle Paten mit ihren Puppen auch via Zoom zum digitalen Austausch. Große Lust hatten alle, die Gäste in ihren Alltag zu integrieren. Davon erzählen sie im ersten Film. Warum sie bei so einer Aktion mitmachen? "Weil es ohne Kunst still wird", sagt Ulrike Sebiger. Monika Schilfahrt freut sich darauf, "dass wir uns gegenseitig inspirieren". Und Birgit Stoltenbergs Wunsch an Oma-Puppe Helga Lämpel: "Dass sie ein bisschen Alltag rausnimmt aus der anstrengenden Pandemiezeit. "

Der Fürther Cartoonist Anjo Haase und die Künstlerin Stella Springhart haben sich mit der Königin einen royalen Gast ins Haus geholt, um dann festzustellen, dass das mitunter sehr anstrengend sein kann. In Tagebucheinträgen hält die Königin fest, was sie alles erlebt mit "der Frau, dem Mann und dem Kind" und da bricht mitunter königlicher Snobismus durch. Immerhin hat sie gemeinsam mit den Kuscheltieren der sechsjährigen Tochter eine Demo zum 1. Mai angezettelt - für einen 6-Stunden-Tag. "Und es ist ganz schön, wenn ich im Homeoffice arbeite und sie in der Küche sitzt und ein Buch liest", sagt Anja Haase. "Das fühlt sich tatsächlich wie Besuch an. "

Sabrina Reuschl, die als Make-up-Artist und Hairstylistin für Foto- und Videoproduktionen in München lebt, hatte sich eine kleine Puppe gewünscht, damit sie sie in der Handtasche gut dorthin mitnehmen kann, wo immer sie ihre Arbeit hinführt. Johannes mit seinen gerade mal 15 Zentimeter erfüllt diese Maßgabe aufs Beste. Er ist seither oft bei Fotoproduktionen dabei. Nachdem ein Kindermodel sich abfällig über seine Kleidung geäußert hat, hat Sabrina Reuschl ihm zusammen mit ihrer Mutter, die Schneiderin ist, ein neues Outfit aus Jeans und Shirt genäht. "Jetzt passt er besser in unsere Zeit", meint sie.

Schließlich hat Johannes sogar einen eigenen Instagram-Account, wo er alles präsentiert, was er so erlebt. Beispielsweise hat er mit Gastmutter Sabrina schon die Landesgartenschau in Ingolstadt besucht, Playstation gespielt, Homeschooling ausprobiert. Und sich von Porträtfotograf Nils Schwarz, der sonst Schauspieler wie Sabin Tambrea, Kai Wiesinger oder Jasmin Tabatabei vor der Kamera hat, in Starpose fotografieren lassen.

Der Abschied wird komisch sein, vermutet Sabrina Reuschl. "Ich glaube, ich werde das Theater fragen, ob sie nicht Lust haben, den Instagram-Account von Johannes zu übernehmen und ihn dort weiterleben zu lassen. " Darüber muss das Theater noch beratschlagen, erklärt Theaterpädagogin Marie Erlewein. Bei Salz+Pfeffer ist man jedenfalls total begeistert von der Euphorie und Kreativität der Gastfamilien. "Wir haben so tolles Feedback und extrem viel Film- und Fotomaterial bekommen. Deshalb haben wir vor, das Projekt fortzusetzen. " Wann - ist noch ungewiss. Aber dann werden neue Puppen auf Reisen gehen.

DK

Anja Witzke