Eichstätt
Eichstätter Provokation

Die religionskritische Ausstellung "Der freche Mario"

08.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:35 Uhr
Auch die Karikatur von Jacques Tilly ist zu sehen. −Foto: Schulze-Reimpell

Eichstätt (DK) Es sollte ausgerechnet das katholische Eichstätt sein.

"Wir haben uns gedacht, da passen wir ganz gut hin", sagt Assunta Tammelleo und betont, dass es sich hier "vielleicht um die religiöseste Ortschaft der Republik" handele. Die zweite Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit München, einer Vereinigung von Atheisten, die die Ausstellung "Der freche Mario" organisiert, sucht offenbar die Provokation, möchte Ärger machen, sich angriffslustig geben - auch wenn kaum Besucher aus Eichstätt zur Eröffnung kamen.

Denn gezeigt wird in der ehemaligen Johanniskirche eine Art Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Attentats auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo". Zu sehen sind dabei durchweg religionskritische Werke, die in den vergangenen zehn Jahren für den mit 3000 Euro dotierten Preis "Der freche Mario" eingereicht wurden. Vernissage der Ausstellung war Montagabend.

Assunta Tammelleo ist spürbar begeistert von ihrem Projekt. Als der Preis zum ersten Mal 2008 ausgeschrieben wurde, reichten gleich mehr als 600 Künstler Werke ein, darunter Prominente wie die Band Erste Allgemeine Verunsicherung, die Kabarettistin Lisa Fitz und der Zeichner Janosch.

Seit dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" 2015 findet die Ausschreibung immer am Jahrestag statt, dem 7. Januar. Heuer soll bis zum März über die Preisträger entschieden werden.

In der Eichstätter Ausstellung sind nicht nur Preisgewinner zu sehen, sondern sehr unterschiedliche Zeichnungen, die eingereicht wurden - ausgewählt wurden Stücke, die eher leicht zu präsentieren sind, betont Assunta Tammelleo. Das Ziel der Initiative wird bei der Ausstellungseröffnung immer wieder erwähnt: Es geht um ein höheres Maß an geistiger Freiheit, ein Dorn im Auge des Bundes für Geistesfreiheit ist besonders der Blasphemie-Paragraf 166 des Strafgesetzbuches. Er solle abgeschaffte werden.

Die Stadt Eichstätt unterstützte das Ausstellungsprojekt und rollte keine Steine in den Weg. "Den Bann gebrochen hat bereits der Eichstätter Galerist und Kirchenkritiker Wolfgang Sellinger", erläutert Assunta Tammelleo. Als er satirische Werke 2015 in der Johanniskirche ausstellen wollte, regte sich Widerstand, erst nach einer erfolgreichen Klage am Verwaltungsgerichtshof München konnte er sich durchsetzen.

Der Zusammenhang von Katholizismus und den Werken der Atheisten ist übrigens in der Ausstellung überdeutlich. Nirgend sonst werden die Themen Gott, Kirche, Religion so intensiv verhandelt - auf ganz unterschiedliche Art natürlich. In der Ausstellung sind manche Plakate durchaus bösartig und provokativ. Immer wieder werden der Kirche die bekannten Missbrauchsfälle in satirisch zugespitzter Form vorgeworfen. Überhaupt ist die Sexualmoral der Kirche ein wichtiger Themenbereich.

Der Ausstellungseröffnung schloss sich fast nahtlos ein Kabarettabend in der Gaststätte Zum Gutmann an. Dort präsentierte Piero Masztalerz deftige, religionskritische Sketche und Karikaturen, unter anderem zwei witzige Märchen-Persiflagen.

Man war fast erleichtert, dass es im zweiten Teil des Abends, den der Kabarettist HG Butzko brillant bestritt, um Gläubigkeit in einem ganz anderen Sinne ging: um die Religion der Digitalisierung. Besonders deutlich sei der Zusammenhang der beiden Begriffe beim iPhone: In beiden Fällen begann die Geschichte nämlich mit einem angebissenen Apfel. Die Handy-Manie unserer Zeit führe zu Zwombies, Smartphone-Zombies, und einer "Aufmerksamkeitsdefizit-Epidemie", betonte Butzko. Die Smartphone-Nutzung hinter dem Steuer sei längst die wichtigste Ursache für Verkehrstote. Handy-Nutzer seien so gesehen ein weit schlimmeres Übel als Dschihadisten, die mit dem Auto in Menschenmengen rasen. Auf diese Weise seien in den vergangenen fünf Jahren 13 Menschen ums Leben gekommen, durch Handys im Fahrzeug aber rund 2500 Menschen.

Katastrophal seien die Handys besonders für Kinder - ein echtes Suchtproblem, vergleichbar mit Kokain-Gebrauch, der ja auch einmal erlaubt war. Und eine Hilfe seien auch die Eltern nicht, die lieber aufs Smartphone starren, als mit ihren Kindern zu kommunizieren. "Es naht der Tag", vermutet HG Butzko, "da fragt ein Kind seine Eltern: ,Mami, Papi, was heißt eigentlich zwischenmenschlich? ' Dann antworten die Eltern: ,Da musst du Alexa fragen. '"

Ehemalige Johanniskirche, bis 14. Januar, Mo bis Do und So von 14 bis 19 Uhr, Mi, Fr und Sa von 14 bis 20 Uhr. Eintritt frei.

Jesko Schulze-Reimpell