Ingolstadt
Der Club wird zum Tollhaus

Ein Highlight: Die Gruppe Wellbad beim Bluesfest in der Ingolstädter Neuen Welt

22.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:01 Uhr
Mächtige Stimme: Daniel Wellbat in der Neuen Welt. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Für ihr drittes Album „The Rotten“ hat die Hamburger Band Wellbad völlig zu Recht den renommierten Preis der deutschen Schallplattenkritik erhalten. Gäbe es einen „Preis der deutschen Konzertkritik“ ginge der zweifelsfrei ebenfalls an dieses Quartett, das an diesem Abend beim ausverkauften Bluesfest-Konzert die Neue Welt mal eben in ein Tollhaus verwandelt. Wobei sie sich zweier Mittel bedient: der Musik an sich und deren Präsentation vermittels purer Energie.

Frontmann, Bandchef, Komponist und Sänger Daniel Wellbat ist ständig in Bewegung, röchelt, raunt, schreit, grunzt und wispert ins Mikrofon. Er verbeißt sich geradezu in seine Komposition.  Oder er umschmeichelt sie. Oder er spuckt sie regelrecht aus. Wellbat gibt jedem Song, was jener einfordert, und er hat alles drauf, was einen Entertainer ausmacht. Und vor allem: Der Mann mit der mächtigen Stimme kann wirklich singen. Und wie! Bereits mit „The Wake Up Call“, der ersten Nummer des preisgekrönten Albums wie auch des Konzerts, zieht er das Publikum in seinen Bann, reißt es mit und lässt es ab dann nicht mehr los. Am Ende muss er bei den Zugaben tatsächlich vier Stücke drauflegen. Das sagt einiges aus.
 

Irgendwie kommt es einem so vor, als würden hier Tom Waits und Don Van Vliet alias Captain Beefheart durch den Wolf gedreht. Und was hinten herauskommt, ist Wellbad. Es rockt und scheppert, es riecht nach Roots-Blues und nach New Orleans. Es ist wie ein Sog, der einen mitnimmt. Und je mehr man in den Strudel eintaucht, desto wohler fühlt man sich. Dreckiger Rumpelrock und minimalistische Feinheiten liegen ganz dicht beieinander. Wellbad bedeutet gleichzeitig filigrane Feinarbeit und donnernde Wucht, geradlinige Grooves und verzwickte Arrangements, Wut und Schmeicheleien, Angriff und Rückzug. Ständig sieht man sich einem Wechselbad ausgesetzt, ständig variiert die Band die Druckdosis und arbeitet doch stets mit gleichbleibender Intensität, auch an den leisen Stellen. 
 
„Three Legged Dog“, „Compliment“, „Needin’ Love”, „I Testify”. – Was für Kracher! Bereits als CD-Versionen hinterlassen sie einen nachhaltigen Ein-druck, live sind sie geradezu umwerfend. Studioarbeit ist notwendig, ist sozusagen die Pflicht, ein Konzertabend wie dieser eindeutig die Kür. Ja, diese Band gehört unbedingt auf die Bühne. Am besten natürlich auf die der Neuen Welt. Jeder, der sich auch nur ansatzweise für „echte“ Musik abseits des Gedudels aus dem Formatradio interessiert, für Musik also, die man nicht nur mit Lust hören, sondern auch noch emotional greifen kann, der sollte sich zumindest einmal in seinem Leben Wellbad anhören. Und sollte sich der Veranstalter bereits jetzt Gedanken zum Programm für das nächstjährige Bluesfest machen, dann hätte ich schon mal einen Tipp vorab.