Ingolstadt
"Den Staub des Alltags von der Seele waschen"

Kunstvereine gehören zum Immateriellen Kulturerbe in Deutschland - auch in der Region fördern sie Kunst und Kultur

03.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:39 Uhr
"Illusion und Imagination war das Thema Sador Weins?luckers in der Schau des Kunstvereins Ingolstadt. −Foto: Weins?lucker

Ingolstadt - "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit", formulierte es der bayerische Autor und humorvolle Denker Karl Valentin (1888-1948). Diese Arbeit, Kunst zu fördern und in die Gesellschaft zu bringen, übernehmen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert Kunstvereine. Und das äußerst rege und erfolgreich in der Region: in Ingolstadt, Neuburg, Pappenheim, Pfaffenhofen und Schrobenhausen. Und alles im Ehrenamt. Wir stellen sie und ihre Projekte vor.

Mit dem ersten Teil des Karl-Valentin-Satzes hatte der Kunstverein Ingolstadt seine Jubiläums-Ausstellung im Jahr 2000 überschrieben. Vier Jahre später wurde der Verein mit dem Kulturpreis der Stadt Ingolstadt ausgezeichnet dafür, dass die - im Ehrenamt tätigen - Mitglieder den Dialog zwischen Kunstschaffenden und Kunstinteressierten fördern, Impulse setzen für den Dialog innerhalb der Gesellschaft und ästhetisches Bewusstsein entwickeln und schärfen, wie es in der Laudatio hieß. Etwas mehr als 200 Mitglieder zählt der Ingolstädter Kunstverein derzeit nach Angaben des Vereinsvorsitzenden, des Galeristen und Fotografen Hubert Klotzeck.

Selbst während der schwierigen Pandemiezeiten holte der Verein "das nach Ingolstadt, was wir hier vermissen", wie es 2004 die damalige Vereinsvorsitzende, die Kulturjournalistin Isabella Kreim formulierte. Der Verein bot und bietet dem Ingolstädter Publikum sehenswerte und anregende Ausstellungen in der Galerie im Stadttheater Ingolstadt wie zuletzt jene des Berliner Künstlers Sador Weins?lucker, "Der Weg nach innen und außen" . Ab 11. September ist mit "Work in Progress" die Ausstellung des Fotografen Erwin Lanzensberger zu sehen, der von seiner Heimatstadt aus ein international gefragter Fotograf geworden ist.

"Im Idealfall geben wir Künstlerinnen und Künstler der Region eine Plattform, von der aus sie über die Region hinaus erfolgreich sind", formuliert Rolf-Dieter Wührl, 1. Vorsitzender des Kunstvereins Schrobenhausen, eine der Zielsetzungen des Vereins, der sich 1978 gründete und derzeit 117 Fördermitglieder zählt und 45 aktive Künstlerinnen und Künstler.

Erste Pop-up-Showin Schrobenhausen

Die Förderung junger Talente, Kunst sichtbar zu machen und künftig verstärkt auswärtige Kunstschaffende nach Schrobenhausen zu bringen, sind die drei Hauptanliegen des Vereins, der seit 1. September und bis Sonntag jeweils von 14 bis 18 Uhr neue Wege beschreitet mit der "Ersten Pop-up-Show im Kunstverein". So sind Werke der Künstler Stefan Bircheneder und Christoph Scholter zu sehen, Kilian Gruber konnte beim Zeichnen beobachtet werden, Heute, Freitag, ist Künstler und Kunstvereinsvorsitzender Dieter Wührl in der Galerie und beantwortet Fragen zur Kunst. Am Samstag erzählt Harald Brosi vom ZKLenbach, was es mit seinem virtuellen Museum auf sich hat.

Mit einer Ausstellung brachte der "Neue Pfaffenhofener Kunstverein" bei der "Nacht der Kunst" im Juni 2008 "frischen Schwung ins Pfaffenhofener Kulturleben". Die Förderung des künstlerisch-kulturellen Lebens in der Stadt in den Bereichen der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik ist seitdem Ziel des Vereins, das unter seinem 1. Vorsitzenden Steffen Kopetzky immer weiter ausgebaut wird. Seit 2009 werden in der Kunsthalle Ausstellungen, Lesungen und die Sommerakademie für Kinder und Jugendliche realisiert. Seit 2011 betreibt der Verein im Kreativquartier mit Unterstützung der Stadt 20 Atelierräume. Und schickt ab 5. September mit der Freiluftausstellung "Weingartner on Tour" ausgewählte, reproduzierte Bildmotive aus allen Schaffensphasen des Pfaffenhofener Künstlers Michael P. Weingartner als erste Station nach Schweitenkirchen. Und: Auch der Neue Pfaffenhofener Kunstverein zitiert auf seiner Homepage Karl Valentin.

Open-Air-Galerie: Kunstin Neuburgs Schaufenstern

"Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele": Ein Ausspruch von Pablo Picasso (1881-1973) ziert die Website des Kunstkreises Neuburg. 1979 von 32 kunstbegeisterten Neuburgern (17 Malerinnen und Maler sowie 15 Fördermitglieder) gegründet, ist der Kunstkreis auf 165 Mitglieder angewachsen. Hier sind vorwiegend aktive Malerinnen und Maler, einige Bildhauer/Objektkünstler, einige Fotografen Mitglied. Unterstützt werden sie von sehr vielen weiteren Mitgliedern mit einem finanziellem Beitrag und Wohlwollen. Im Atelier im Loiblhaus finden zweimal im Jahr Kurse für Kinder und Jugendliche statt. Ihre Werke zeigen die Künstlerinnen und Künstler regelmäßig im Fürstengang, im Rathausfletz, im Kunsthof G. Brandl, im Krankenhaus St. Elisabeth und in der Geriatrischen Fachklinik in Neuburg. Sie bringen so Kunst auch außerhalb von Galerien zu den Menschen. Auch der Kunstkreis ist coronabedingt neue Wege gegangen: Die Frühjahrsausstellung mit Künstlerinnen und Künstlern aus Neuburg und der Region "Farbe pur", geplant für die Städtische Galerie im Fürstengang, wurde gefilmt und ist auf der Homepage des Vereins zu sehen. Weitere Werke wurden in Schaufenstern der Stadt gezeigt.

Der jüngste aktive Kunstverein in der Region ist der Kunst- und Kulturverein Pappenheim, der sich "2003 formierte", sagt 1. Vorsitzender Clemens Frosch. Auslöser sei die Übernahme des heutigen K14 Haus der Bürger gewesen. Zehn Jahre dauerte die Sanierung des Gebäudes. Seitdem werden hier Konzerte, Vorträge und Lesungen angeboten wie Ende August zum Themenjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" ein Abend mit Klezmermusik auf der offenen Remise des K14. Kunstausstellungen organisiert der Verein im benachbarten Museum an der Stadtmühle. Neben Bildern des Pappenheimers Heinrich Mangold in der Dauerausstellung, präsentiert der Verein Ausstellungen von Künstlern der Gegenwart, um die "Provinz zu vitalisieren" auch mit Vernetzung in der Region. Bis 12. September ist die Kunstaktion "...am Ende doch ein Apfelbaum" des Westmittelfränkischen Künstlerkreises mit Parcours und im Museum an der Stadtmühle auf Einladung des Kunstvereins Pappenheim zu Gast: Inspiriert, regt zum Dialog an, wäscht den Staub des Alltags von der Seele. Und macht auch Arbeit.

DK

Barbara Fröhlich