Das Sofa als Privat-Loge

Die Bayerische Staatsoper München bietet jeden Montag ein Live-Konzert und kostenlose Aufzeichnungen

24.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:40 Uhr
Klassik-Genuss am Laptop: Der LIve-Stream wird durch die Kameraführung zur Aufführung mit besonderer Nähe. −Foto: Poese

München/Ingolstadt - Wie ein Kunstwerk aus grafischen Mustern erstrecken sich verlassene Stuhlreihen und die elegant geschwungenen Logen vor Hanna-Elisabeth Müller: Die Sopranistin singt in den menschenleeren Saal der Bayerischen Staatsoper.

Und doch sind Zehntausende dabei, wenn die Künstlerinnen und Künstler jeden Montag im Live-Stream musizieren und tanzen.
Das Münchener Opernhaus reagiert mit dem kostenlosen Angebot auf die Corona-Krise. Zu Beginn wendet sich Intendant Nikolaus Bachler persönlich ans Publikum: Man wolle Kontakt halten, "Ihnen zeigen, dass wir da sind". Offenbar hat man damit einen Nerv getroffen: Den Live-Stream in der vergangenen Woche sahen sich rund 50 000 Interessierte an, im Nachhinein klickten noch einmal 10 000 auf das On-Demand-Video.

Dennoch: Oper ist in diesen Zeiten nicht möglich - ein Orchester im Graben, einen Chor auf der Bühne zu versammeln, würde dem Seuchenschutz zuwiderlaufen. Wie Bachler erklärt, setzt das Haus stattdessen auf kleine Besetzungen: Klaviertrio, Kunstlieder, Solo-Tanz. Ein Pas de deux mit viel Körperkontakt lässt man zwei Mitglieder des Bayerischen Staatsballetts aufführen, die auch privat ein Paar sind.

Eine Weitwinkel-Ansicht von der Rückseite der Bühne aus mit dem prachtvollen, leeren Zuschauerraum im Hintergrund lässt die drei Musiker, die das Konzert am Montagabend beginnen, ganz verloren aussehen. Und doch entsteht während der Aufführung eine berührende Nähe: Eine Kamera lässt uns die halsbrecherischen Noten des Pianisten Dmitry Mayboroda mitlesen, als er den ersten Satz von Sergej Rachmaninoffs Trio élégiaque Nr. 1 in g-Moll spielt. Dann verfolgen wir die Regungen auf dem Gesicht der Geigerin Hanna Asieieva, lassen den Blick wieder schweifen in die Weite des Saals und kehren zurück, um die Bogenarbeit von Cellistin Darima Tcyrempilova zu beobachten. In der Halbtotale hebt sich das Trio um den Flügel wie eine beleuchtete Insel aus dem Schwarz des Bühnenraums ab. Musik und Filmkunst verschmelzen hier.

Man genießt, wie man jede Mimik-Falte des Baritons Michael Nagy sieht, wenn er Kunstlieder von Hugo Wolf und Richard Strauss interpretiert (Klavier: Susanna Klovsky). Und die beiden Tanzpaare Prisca Zeisel/Dmitrii Vyskubenko und Laurretta Summerscales/Yonah Acosta vor der Kulisse der gold-roten Logen mit Kronleuchter darüber sind ein erhebender Anblick. Sie zeigen eine Szene aus "Die Kameliendame" - mit Klavierbegleitung von Simon Murray - und das Schluss-Pas-de-deux aus "Der Widerspenstigen Zähmung" mit dem Bayerischen Staatsorchester, aus Sicherheitsgründen vom Band. Dieses Programm aus kurzen Häppchen ist auch für diejenigen etwas, denen Opern zu lang und zu schwer sind.

Am Montag, 30. März, bietet das Haus um 20.15 Uhr wieder einen Live-Stream an. Als Video on Demand gibt es außerdem die bisherigen Montagskonzerte sowie ältere Aufzeichnungen von "Il Trovatore" mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros, "Judith/Blaubart" mit Nina Stemme und John Lundgren und "Lucia di Lammermoor" mit Kirill Petrenko, Diana Damrau und Pavol Breslik. Während der Corona-Krise steht der Dienst Staatsoper. TV kostenlos zur Verfügung unter www. staatsoper. de/stream.

DK