Das Glück liegt auf der grünen Wiese

Katharina Thoma inszeniert in Erl Richard Wagners Oper "Lohengrin"

19.07.2021 | Stand 28.07.2021, 3:33 Uhr
Erl steht auf Neubeginn: Am 23. Juli geht die Premiere von "Lohengrin" über die Bühne. −Foto: Festspiele

Erl - Katharina Wagner sitzt in Bayreuth auf dem Grünen Hügel, Katharina Thoma sitzt in einem hübschen Zimmer in der Künstlerherberge in Tirol fest.

Dabei sollte jetzt eigentlich die lange und kräftezehrende Beleuchtungsprobe im Passionsspielhaus beginnen, hat sich aber verzögert. Entspannt schiebt sie stattdessen das Interview mit unserer Zeitung ein.

Spontaneität ist wichtig in diesen Zeiten, eigentlich wäre ihre "Lohengrin"-Inszenierung, nach einem Frankfurter "Tristan" ihre zweite Beschäftigung mit Wagner, schon letzten Sommer in Erl zu sehen gewesen. Proben wie Aufführung mussten aus den zeitüblichen Gründen um ein Jahr verschoben werden. So teilen sich in diesem Sommer zwei große Wagner-Produktionen die knappe Probezeit im Passionsspielhaus, Brigitte Fassbaenders "Rheingold" (der Donaukurier berichtete) und eben Katharina Thomas "Lohengrin".

Dass nach dem bösen Abgang des Festspielgründers Gustav Kuhn, welchem vor zwei Jahren sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch vorgeworfen werden waren, nun die großen Projekte der Saison 2021 zwei Frauen anvertraut werden, ist ein Zeichen. Erl steht auf Neubeginn, in dieser ersten "richtigen" Sommersaison, die der Frankfurter Intendant Bernd Loebe nach den Absagen des vergangenen Jahres und einer verhaltenen Wintersaison verantwortet. Ein Urteil wie die Atmosphäre in Erl früher war, kann und will Thoma nicht fällen, aber ihr gefällt es hier: "Es ist eine schöne Gemeinschaft, in der Künstlerherberge wie auf der Bühne, sehr freundlich, frei und kreativ. Die künstlerische Qualität früher und heute kann ich auch nicht vergleichen, aber ich vermute, eine Person als Leitung, Dirigent und Regisseur in Personalunion kann so viele Funktionen gar nicht auf dem gleichen hohen Level bedienen, wie er jetzt hier gesetzt wird. "

Auch der Umgang mit der Pandemie ist in diesem Sommer schon verhältnismäßig unaufgeregt, die Zuschauer nehmen - nachdem die drei "Gs überprüft wurden - ohne Mundschutz und dicht an dicht Platz. Auch die Künstlerinnen und Künstler müssen auf der Bühne nicht auf Abstand oder Gruppeneinteilungen achtgeben. "Ich selbst habe meine Impfung auch hier bekommen", erzählt Thoma. "Das Theater ist ja formell auch ein Betrieb und als solcher konnte es seine Betriebsangehörigen impfen lassen. Wir bekamen also alle am gleichen Tag die Spritze - und, oh Wunder: Nur ein einziger musste sich am nächsten Tag krankmelden, alle anderen konnten weiter proben. "

Die gebürtige Landsbergerin, die in der Würzburger Hochschule für Musik die Opernschule leitet, hatte zunächst Klavier studiert, bevor sie ins Regiefach wechselte. Sie arbeitet an großen Häusern und reist dafür von München, wo sie wohnt, quer durch Europa. Als Regisseurin besticht sie durch schlagende Konzeptionen, Witz und Mut zur Provokation. "Ich habe den Anspruch, Opernstoffe, auch historische, mit heutigem Auge zu sehen, auch und gerade, was die Rolle der Frau betrifft. Da rollt es einem ja echt oft die Nägel auf! Dazu muss ich mich verhalten, mit Ironie, einem Statement oder einem Kommentar. Den Standpunkt "Es ist ja nur Oper, macht ja nichts kann ich nicht teilen", erklärt sie und muss sich daher natürlich fragen lassen, wie sie die weibliche Hauptfigur im "Lohengrin" auffasst. Elsa wartet ja in ihrer Schwäche träumend auf den Helden, der sie rettet, um dann an dem märchenhaften Frageverbot zu scheitern.

Thoma will diese problematische Frauenfigur knacken, indem sie ihr eine Entwicklung schenkt: "Ich begreife sie als ein ganz junges Wesen, die bestimmte Erfahrungen noch machen muss und daher vielleicht auch Klischees mit sich trägt, die sie später ablegen wird. Genau wie ihr Bruder ist sie ja fast noch ein Kind. Er und noch ein paar andere Kinder sind daher auch auf der Bühne präsent. Elsas ,verbotene' Frage steht am Ende einer Reflexion über Augenhöhe in der Beziehung, sie will nicht brav ,mitmachen'. Daher kann ich ihre Frage auch nicht so katastrophisch finden, wie Wagner das offenbar tat, sondern eher als folgerichtig. "

Die Konzeption des "Lohengrin", der kommende Woche Premiere haben wird, wurde von ihrem Spielort inspiriert, dem Passionshaus mit seiner jahrhundertelangen Tradition. "Ich bin extra mit meinem Team 2019 nach Erl gekommen zu der Passion, wir wollten sehen, wie der Raum mit diesem Publikum funktioniert. Passionsspiele sind ja ein Phänomen in ihrer Volkstümlichkeit, im Historienbezug und auch ihrer Naivität. " Man merke das auch dem ganz besonderen Publikum an, das immer wieder hierher käme. Und im "Lohengrin" stecke ja auch viel Pseudoreligiöses, wenn man beispielsweise an die Gralserzählung denke. "Auch die Vermarktung der Musik und ihre Rezeption weisen in diese Richtung. Wagnerianer gebärden sich manchmal wie religiös Erweckte, um es mal so bös zu sagen! Für mich ist ,Lohengrin' aber auch eine Künstlerfigur. Das habe ich auch schon selbst erlebt, man möchte als Künstler manche Prozesse nicht trivialisiert bekommen, nicht darüber befragt werden! So verstehe ich sein Frageverbot. "

So kann denn wohl ihre Arbeit die beste Antwort geben nach dem Kern ihrer "Lohengrin"-Konzeption, und damit die knappe Probezeit genutzt wird, muss Thoma jetzt dringend los, in das strahlend weiße Passionsspielhaus auf der grünen Wiese.

DK