Ingolstadt
Metamorphose von Schrott zur Kunst

Faszinierende Ausstellung in Ingolstadt: Der Lichtkünstler Markus Jordan zeigt visuelle und akustische Wunderwerke

26.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
  −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Wer das dunkle Labor betritt, könnte meinen, er wäre im Studierzimmer von Goethes "Faust" gelandet, der nachts über seinen Büchern brütet und wissen will, was "die Welt im Innersten zusammenhält".

In Goethes Klassiker ist es eine Alchimistenküche "mit Gläsern, Büchsen rings umstellt, mit Instrumenten vollgepfropft". So ähnlich sieht es auch auf Markus Jordans Labortisch aus: Zahllose Glasglocken, Destillationsgefäße, Reagenzgläser, Messkolben und Mischzylinder stapeln sich. In dem Regal neben dem Labortisch findet sich ein Sammelsurium an ausrangierten Gegenständen - ein verdorrter Blumenstrauß, ein heruntergekommener Handschuh oder ein staubiger Parfumflakon.

Wäre man nicht in der Städtischen Galerie des Stadttheaters in Ingolstadt, könnte man meinen, Faust würde jeden Moment um die Ecke kommen, vor den Labortisch treten, nach geheimnisvollen, blubbernden Flüssigkeiten greifen und des Pudels Kern herausbeschwören - Mephisto, den Teufel. Markus Jordans Ausstellung "Das Labor. Retrofuturistische Visionen", die am Freitag eröffnete, erinnert zwar an eine Teufelsküche, ist aber dennoch keine Hommage an Goethes "Faust". Vielmehr geht es dem Ingolstädter Künstler um den Spagat zwischen Wissenschaft und Kunst. Und darum, alten Gegenständen neues Leben einzuhauchen - das versteht Jordan unter dem Begriff "retrofuturistisch". Das Faszinierende: Das skurrile Sammelsurium auf dem Labortisch ist eigentlich Müll, den niemand mehr wollte. Außer Jordan.

Er sammelt alte Gegenstände, die auf dem Schrottplatz gelandet sind. Schon seit dem Jahr 2003, damals geisterte bereits die Idee zu einer Ausstellung zum Thema Labor in seinem Kopf herum - jetzt, 15 Jahre später, hat er sie in die Tat umgesetzt.

 

 


Für seine Ausstellung orientiert sich Jordan an Science-Fiction-Filmen der 20er- und 30er-Jahre. Allen voran an Fritz Langs Kultfilm "Metropolis", in dem ein Maschinenmensch erschaffen wird - viele Jahrzehnte, bevor künstliche Intelligenz zum fundamentalen Begriff avanciert. Die Schlüsselszene aus dem Stummfilm steht auch im Mittelpunkt der Ausstellung, mit einem Experimentiertisch, der in giftiges, grünes Licht getaucht wird. Im Hintergrund ragt ein überdimensionaler Thron empor, dessen Umrisse sich vor der rot beleuchteten Wand abzeichnen. Das ergibt mit dem Grün des Tisches einen Komplementärkontrast, der eine geheimnisvoll, düstere Atmosphäre in dem sonst abgedunkelten Raum schafft. Eine Umgebung, die sicher auch Frankenstein gefallen hätte.

Jordan ist bekannt für seine außergewöhnlichen Lichtinstallationen. Auch in seiner aktuellen Schau in der Städtischen Galerie sind sie ein wesentlicher Bestandteil. Der Besucher wird von einem deckenhohen leuchtenden Hyperboloid empfangen, einer geometrischen Form, die einer Sanduhr ähnelt. Daneben steht das Skelett eines Pferdes, dessen Bauchraum mit blinkenden Lichterketten gefüllt ist, die auf Töne reagieren.

Doch nicht nur die Lichteffekte machen die Ausstellung zu einem außergewöhnlichen Erlebnis. Auch Geräusche schaffen eine besondere Atmosphäre. Immer wieder dröhnen verrückte Töne durch den Raum. Zunächst ist nicht klar, wer diese schrillen Laute erzeugt. Klangliches Epizentrum ist ein Klavier, das Jordan zu einem "Pneumonium" umgebaut hat, ein Instrument, das mit Druckluft funktioniert. Wochenlang hat er daran rumgetüftelt, so lange bis jede Taste einen anderen schrägen Sound von sich gibt. Läuten beim Drücken der einen Taste noch Kuhglocken, schrillt bei der Klaviertaste daneben eine Hupe. Oder eine Quietschente piepst. Oder der Klavierkasten schlägt mit Karacho hoch und runter - ein Special Effect, bei dem viele Besucher erschrocken von der Tastatur zurückweichen und nur wenige Sekunden später noch einmal die Taste betätigen, weil sie ihren Ohren und Augen nicht trauen.

 

 



Wie die Ausstellung eindrucksvoll zeigt, ist der Schrottplatz für ausrangierte Teile in Wirklichkeit eine wahre Schatzkammer der Neuschöpfung. Markus Jordan ist bei der Schau nicht nur Künstler, sondern auch ein Erfinder. Seine Kunst fängt dort an, wo der Weg ihres Werkstoffes eigentlich endet - eine Metamorphose von Krempel zu Kunst.

"Das Labor. Retrofuturistische Visionen": bis 23. September, Städtische Galerie des Stadttheaters Ingolstadt, Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr. Bei der Nacht der Museen am 8. September ist die Ausstellung ebenfalls geöffnet. Im Foyer widmet sich an diesem Abend der Kunstverein Ingolstadt unter dem Motto "offenlassen III" neuen, elektronischen Medien und präsentiert eine künstlerische Kooperation zwischen dem Jazzmusiker Bernhard Hollinger und dem Elektronik-Duo Hotzeck aus Eichstätt.
 

Xenia Schmeizl