Kultur
"Kultur bringt die Gesellschaft weiter"

Interview mit Falco-Manager Horst Bork

17.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:49 Uhr
Der Mann im Hintergund: Horst Bork wollte nie großartig in Erscheinung treten. Der Künstler Hubertus von Hohenlohe hat den Ingolstädter porträtiert. −Foto: privat

Horst Bork ist viel herumgekommen, doch am liebsten ist er daheim bei seiner Ehefrau Marianne in Ingolstadt. Am Freitag feiert der ehemalige Falco-Manager seinen 70. Geburtstag, und viele Persönlichkeiten aus der Showbranche werden zu den Gratulanten zählen. Ein Gespräch über eine bewegte Karriere.

Herr Bork, wie werden Sie Ihren Geburtstag feiern?
Horst Bork: Zusammen mit meiner Frau in St. Anton, in aller Ruhe. Vielleicht gibt es danach noch eine kleine Feier, ich lasse das alles auf mich zukommen, da habe ich keinen Plan. Ich freue mich jetzt erst einmal, dass ich 70 Jahre alt werden darf.

Sie sind seit Jahrzehnten im Showgeschäft unterwegs. Da hätte man eher auf ein rauschendes Fest getippt.
Bork: Ich habe schon genügend gefeiert in meinem Leben, das lasse ich jetzt ganz langsam angehen.

Sie haben Elton John auf Tournee begleitet, als der noch im Vorprogramm auftrat und mit den No Angels die erste Castingband an die Spitze der Charts geführt. Mit Falco haben Sie zwölf intensive Jahre verbracht, seit 20 Jahren beraten Sie nun schon den Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann. Wie hat sich das Geschäft im Lauf der Jahre verändert?
Bork: Die Erfindung des mp3-Players hat das Musikgeschäft in seinen Fundamenten getroffen. Die Menschen haben noch nie so viel Musik gehört und dafür noch nie so wenig Geld ausgegeben. Die alten Recken füllen noch die Hallen, für die jungen Künstler ist es immer schwieriger geworden. Früher hat man auch mal so leise aus dem Hinterhalt den großen Erfolg landen können, das kommt immer seltener vor, auch deshalb, weil die Kosten für den großen Aufschlag immens gestiegen sind. Für ein großes Projekt brauchst du im Idealfall gut gefüllte Taschen. Und Kochen ist nach wie vor ein großes Thema, manchmal habe ich den Eindruck, Deutschland kocht über.

Verliert die Musik immer mehr an Bedeutung?
Bork: Ich glaube nicht, dass sie an Bedeutung verliert, sondern an finanziellem Wert. Radiohören ist nach wie vor eine der beliebtesten Freitzeitbeschäftigungen, Musik hat nach wie vor einen großen Stellenwert. Bedingt durch das Formatradio weiß jeder, was er wann wo zu hören bekommt. Die Folge ist, dass sich niemand mehr eine CD kauft. Dafür steht das Live-Erlebnis im Vordergrund. 250 Euro für ein Ticket gebe ich aus, aber ob ich dann noch die Platte kaufe?

Die Gegenwart spielt im Digitalen.
Bork: Wenn es darum geht, Geld zu verdienen, ist das Gerede von Klicks doch ein Witz. Wenn eine neue Band 60000 Klicks hat, dann kann sie sich davon gerade mal eine Wurstsemmel kaufen. Lächerlich.

Sie hätten mit Ihrer Erfahrung auch in der Jury einer Castingshow sitzen können. Gab es schon Anfragen?
Bork: Genug und immer wieder. Ich habe mich aber immer verweigert, denn ich wollte nie großartig in Erscheinung treten, in der zweiten Reihe lässt sich viel unauffälliger arbeiten. Dem Künstler gehört die Öffentlichkeit, nicht dem Manager. Das hat dazu geführt, dass die Kronen-Zeitung in Wien einmal die Frage gestellt hat, ob es den Bork überhaupt gibt.

Wie halten Sie es mit den Talentshows?
Bork: Was mich bei RTL stört bis ärgert, ist die Verwendung des Begriffs Superstar. Man tut so, als wären die Interpreten in der Show ganz großartige Künstler, Superstars. Dabei erinnert sich doch niemand mehr, wer vor drei Jahren da als Sieger gefeiert worden ist. Talentshows haben gute Quoten, aber ob sich daraus langfristig interessante Künstler entwickeln, halte ich für nicht sicher.

Die No Angels sind aus so einem Format, damals "Popstars", entstanden.
Bork: Richtig, das will ich auch nicht verschweigen. Ein Bekannter hatte damals das Format aus Australien gekauft. Ich habe ihm gesagt: Da hast du jetzt viel Fernsehzeit und zugleich einen neuen Künstler. Mach das. Ich habe sehr davon profitiert, aber es kann nicht die Lösung sein, um permanent neue Stars zu produzieren.

Wie haben Sie dieses Wagnis erlebt?
Bork: In den USA sagt man: The song makes the music, der Song macht die Musik. Ein gut aussehender Interpret mit einer begnadeten Stimme und viel PR hat keinen Erfolg, wenn das Lied nichts taugt oder die Länge der Hairextensions das wichtigste ist. Wobei die No Angels in Deutschland mehr Platten verkauft haben als Falco.

Geht es heutzutage noch ohne Facebook, Twitter und Youtube?
Bork: Es würde gehen, aber die sozialen Netzwerke und die digitale Welt sind preiswerte Mittel, um Dinge unter die Leute zu bringen. Aber damit verdiene ich kein Geld. Streamingdienste wie Spotify dienen der Verbreitung von Musik, aber den Künstlern bringen sie keinen fairen Lohn.

Was war Ihr größter Erfolg?
Bork: Das war sicher Falco. Das liegt aber nicht an der Nummer eins in den USA, viel stolzer bin ich auf den Erfolg in England. Dort ist es wesentlich schwieriger. Das war absolute Knochenarbeit, wir haben verschiedene Mixe nur für England gemacht und drei Wochen lang in London alles beackert. Erst als wir dort die Nummer eins waren, hat es dann auch in Asien und Australien geklappt. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass man es geschafft hat, wenn man Nummer eins in den USA war. Der internationale Erfolg hängt maßgeblich immer noch von England ab, die Engländer haben die Popmusik erfunden.

Die zwölf Jahre mit Falco waren auch Ihre spannendsten?
Bork: Definitiv. Wir sind viel rumgekommen auf der Welt und haben noch mehr erlebt?

Wie nah muss man als Manager jemandem kommen?
Bork: Man muss unterscheiden, ob man mit jemandem nur eine gute Zeit hat oder wirklich über mehrere Jahre zusammenarbeitet. Ich war mal bei Christopher Lambert zu Besuch und habe dort Jack Nicholson getroffen. Er hat uns zur Oscar-Verleihung mitgenommen und wir hatten einen unvergesslichen Abend. Ich habe mich auch mal mit Paul McCartney oder dem Beatles-Produzenten George Martin einen Abend lang voller Ehrfurcht unterhalten. Aber das hat letztlich nichts mit Nähe zu tun, das sind tolle Momente. Mein Maßstab war immer, wenn ich mit jemandem in den Urlaub fahren kann und den ohne Streit überstehe, dann kann ich auch mit ihm zusammenarbeiten. Falco war ich sicher eng verbunden, auch nach unserer geschäftlichen Trennung.

Warum ging es auseinander?
Bork: Es gab ein Schlüsselerlebnis in Holland. Wir waren dort zu einer Produktion und saßen in der Kantine, als sich Falco wie ein Wahnsinniger aufgeführt und seine holländischen Produzenten und alle Holländer übelst beleidigt hat. Erst wurde er rausgeschmissen, dann ich und wir fanden uns dann bei Regen auf der Bordsteinkante sitzend wieder. Da habe ich mir gedacht, was habe ich getan, dass ich hier sitze? Ähnliche Situationen hatte es zuvor immer wieder gegeben. So etwas nagt an einem. Da habe ich zu Falco gesagt: Ich schaffe das nicht mehr. Lass uns Freunde bleiben, aber mach du dein Ding.

Welcher Künstler hat sein Potential nie ausgeschöpft?
Bork: Da gab es viele. Zum Beispiel Rio Reiser. Mit ihm habe ich ein Jahr lang verhandelt. Jeden ersten Montag im Monat kam er mit seinem damaligen Freund und Schlagzeuger Lanrue in mein Hamburger Büro. Der Plan war, den gesamten Katalog von Ton Steine Scherben in die Kommerzindustrie, so hatte Reiser es genannt, zu überführen. Mit BAP war uns das ein Jahr zuvor gelungen. Nach sechs, sieben Monaten haben wir dann festgestellt, dass unsere Weltanschauungen zu verschieden waren. Mit Klaus Dinger, dem Schlagzeuger von Kraftwerk, habe ich ebenfalls endlose Gespräche geführt. Ein schwieriger Charakter, wir haben uns bis zuletzt sehr gepflegt gesiezt. Leider ist der Kontakt dann abgebrochen und er ist verstorben.

In Ingolstadt wird gerade über zwei kulturelle Neubauten diskutiert. Wie wichtig ist Kultur für die Gesellschaft?
Bork: Sehr wichtig. Eminent wichtig. Ich will Ihnen kurz ein Erlebnis schildern. Mit Jonathan Meese bin ich seit ein paar Jahren befreundet. Als ich ihn kennengelernt und erzählt habe, was ich beruflich mache, hat er zu mir gesagt: Du bist ein Menschenhändler. Da ist etwas Wahres dran. Jonathan hat die Meinung, Kunst müsse und dürfe alles, er ist ein großer Verfechter der Diktatur der Kunst. Das mit der Diktatur sehe ich nicht ganz so martialisch, aber er hat im Kern recht, Kunst muss alle Freiheiten haben. Bei der Gelegenheit erinnere ich mich, dass in Ingolstadt vergangenes Jahr einmal ein Konzert voreilig abgesagt worden ist, weil es für manchen CSU-Politiker zu heftig war. Das fand ich absolut nicht in Ordnung. Kultur bringt die Gesellschaft weiter und muss für alle verfügbar sein, arm und reich.

Was reizt Sie noch?
Bork: Zwei, drei große Projekte sind noch am Brodeln, aber über ungelegte Eier sollte man nicht reden. Ich schreibe gerade noch einen Anhang für die nächste Auflage meines Falco-Buches, das ist zeitaufwändiger, als ich dachte. Und vielleicht schaffe ich es noch, endlich die Produktion von Pete York (Schlagzeuger, u.a. Spencer Davis Group, Anm. d. Red.) und Charlie Watts (Schlagzeuger Rolling Stones, Anm. d. Red.) zum Laufen zu bringen. Wir sind uns einig, dass wir das machen wollen, aber es gibt große Diskussionen bei der Titelauswahl...

Das Gespräch führten Stefan
König und Peter Felkel.

DK



ZUR PERSON
Als Manager hat Horst Bork unter anderem mit Udo Jürgens, Chris Rea, Christopher Lambert und Falco zusammengearbeitet. Aktuell berät er die Köche Eckart Witzigmann, Kevin Fehling, Hans Jörg Bachmeier und den ehemaligen Gewichtheber Matthias Steiner.

Lieblingsort: Zuhause in Ingostadt

Lieblingssong: Your Song, Elton John, Woman, John Lennon

Lieblingskünstler: Jack Nicholson, weil er so grandiose Witze erzählt