Ingolstadt
Musikalischer Sieg über das Virus

Lisa Batiashvili, Maximilian Hornung und der Camerata Salzburg gelingt ein faszinierendes Abschlusskonzert der Sommerkonzerte

06.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:46 Uhr
Kraftvoller Zugriff: Maximilian Hornung (Cello) und die Camerata Salzburg unter Leitung von François Leleux spielen Schostakowitsch. −Foto: Audi

Ingolstadt - Wenn Lisa Batiashvili und François Leleux zusammenspielen, hat das immer etwas von einem Familienkonzert.

 

Schließlich sind die berühmte Geigerin und künstlerische Leiterin der Audi-Sommerkonzerte und der Oboist und Dirigent miteinander verheiratet. Und selbst der Cellist Maximilian Hornung gehört inzwischen schon fast zur erweiterten Familie, schließlich musiziert auch er öfter mit den beiden, etwa bei dem inzwischen schon fast legendären Solidaritätskonzert im Audi-Presswerk mitten während des Lockdowns im April.

Das Abschlusskonzert der Sommerkonzerte in der Betriebsversammlungshalle sollte also eigentlich ein leichtes Spiel sein für die Künstler. Aber so einfach ist es nicht. Inzwischen gibt es an vielen Orten wieder Live-Konzerte, wenn auch nur vor wenigen Besuchern. Die Corona-Krise in Deutschland hat sich merklich entspannt, die Dringlichkeit, in der Not künstlerisch Sinnhaftigkeit und Optimismus zu verbreiten ist schwerer geworden. Die reine Tatsache, ein Konzert zu veranstalten ist inzwischen etwas zu wenig, die Werke müssen auch programmatisch Inhalte vermitteln. Das aber gelang beim Abschlusskonzert der Audi-Sommerkonzerte in diesem Jahr nicht so recht.

Zwei große Werke standen auf dem Programm, außerdem stellte Lisa Batiashvili zwei Titel ihrer neuen CD "City Lights" vor. Ein innerer Zusammenhang zwischen den Stücken wollte sich nicht erschließen. Sie stehen einzeln für sich. Teilweise wurden sie allerdings vorzüglich dargeboten.

Etwa von Maximilian Hornung, der das Cellokonzert Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch mit größter Intensität veranschaulichte - als ein Kampf des Individuums gegen ein Orchesterkollektiv, das im ersten Satz mit schneidender Holzbläser-Brutalität das Streichinstrument einengt. Bis es in tiefster Melancholie im zweiten Satz versinkt, Hornung vermittelte hier gerade in den leisen Tönen höchste Spannung. Und dann der dritte Satz, eine Kadenz, eigentlich ein Monolog, der aus langsamen tiefen Tönen sich entwickelt bis die Musik immer rasanter wird, nahezu unspielbar schnell, bis an die Grenze des Irrsinns. Hornung brachte hier sein Instrument nahezu zur Explosion, strich mit höchstem Nachdruck über die Saiten, bis es schier nicht mehr schneller und lauter ging. Alles mündete in dem rauschhaften Schlusssatz. Hornung und die Camerata Salzburg unter der Leitung von François Leleux spielten das mit einer Dringlichkeit, die unwillkürlich an die ausweglos erscheinenden Momente in der tiefsten Corona-Krise denken ließen. Auch wenn natürlich Schostakowitschs Musik sich auf die Not der Stalin-Zeit bezieht.

Eine ganz andere Stimmung vermittelte dagegen die Sinfonie Nr. 101 von Joseph Haydn, die später den Beinamen "Die Uhr" erhielt. Die D-Dur-Sinfonie berührt durch leichtfüßige Spritzigkeit und gute Laune. Berühmt ist das uhrenhafte Pizzicato-Ticken im Andante. Zwei Tage zuvor erklang bereits eine andere späte Sinfonie von Haydn, die Nr. 104, gespielt vom Budapest Festival Orchestra unter der Leitung von Iván Fischer. Das lädt zum Vergleich ein. Leider hinterließ die Camerata Salzburg dabei einen weniger vorteilhaften Eindruck. Sicher, der Zugriff von François Leleux ist vielleicht ein wenig moderner, zackiger, konfliktbereiter. Aber man vermisst die Ruhe und den entspannten Charme, mit dem Fischer sein Orchester leitete. Leleux agierte bei eher schnellen Tempi durchweg etwas hektisch, mit der gelassenen, volkstümlichen Melodiösität Haydns kann er wenig anfangen. Und auch die Klangmischung von Bläsern und Streichern gelingt weniger überzeugend als bei den Budapestern.

Schließlich der Auftritt des Ehepaars mit zwei Werken aus dem Album "City Lights". Lisa Batiashvili zeigte erneut, was für eine fantastische Geigerin sie ist. Bei der Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Choral "Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ" strömte mit übermenschlicher Glätte und Wärme die Melodie aus ihrer Geige. Bei Stephan Koncz' "The Lark" war fast jazzig-fetzige Virtuosität zu hören. Meisterhaft!

Am Ende stand Batiashvili noch kurz vor dem Orchester, strahlte, und sagte über das Festival: "Es war vor allem ein Sieg über das Virus. " Aber eigentlich war es noch weit mehr: ein Sieg für sie selbst, als fantastische Geigerin und Leiterin der Sommerkonzerte.

DK

Jesko Schulze-Reimpell