"Brücke zwischen den Künsten bauen"

Dirigent Ariel Zuckermann bereitet sich auf seine neue Aufgabe als Künstlerischer Leiter des GKO vor

10.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:34 Uhr
So ist er den Ingolstädtern in Erinnerung geblieben: Ariel Zuckermann dirigierte 2010 das Georgische Kammerorchester. −Foto: Schaffer

Berlin - Ariel Zuckermann hat jetzt Zeit.

Der Dirigent, der sonst das ganze Jahr über zwischen verschiedenen Ländern und Erdteilen hin- und herjettet, ist nun gefangen in der deutschen Hauptstadt. "Ich hänge hier fest", sagt er. Aber er nimmt es gelassen. "Mir geht es gut. Man findet wieder zu sich selbst. Es ist gar nicht so schlecht, einen Gang runterzuschalten. " Und Berlin sei schließlich sein Zuhause. Wenn er es sich recht überlege, dann war er in den sechs Jahren, seit er die Wohnung im 5. Stock in Berlin Mitte bezogen habe, noch nie so lange hintereinander in Berlin gewesen.

Ariel Zuckermann, der in der nächsten Saison als Nachfolger von Ruben Gazarian die künstlerische Leitung des Georgischen Kammerorchesters (GKO) wieder übernimmt, geht es wie fast allen freiberuflich arbeitenden Künstlern. Die Corona-Epidemie hat das Kulturleben lahmgelegt, für ihn wie für andere gilt: Alle Konzerte sind bis auf Weiteres abgesagt.

Existenzängste kommen bei dem 47-Jährigen deshalb nicht auf. Seit der Saison 2015/16 ist er Chefdirigent des Israel Chamber Orchestras, bei dem momentan auch alle Auftritte abgesagt sind. Jetzt geht der gebürtige Israeli auf die Straßen, beobachtet die Leute und stellt fest, dass die Menschen zwar Abstand halten, aber doch sehr freundlich zueinander sind.
Mit leichter Wehmut konstatiert er, dass einige sehr schöne Konzerte mit ihm abgesagt wurde, etwa eine Tournee mit dem Haydn-Orchester in Italien oder ein Dirigenten Meisterkurs in Helsinki.

So hat Zuckermann Zeit, sich auf die Konzertsaison des Georgischen Kammerorchesters vorzubereiten. Das Orchester kennt er gut. "Wir sind wie eine Familie", sagt er. Bereits zwischen 2007 und 2011 war er Chefdirigent in Ingolstadt. Jetzt kam der Wunsch aus dem Orchester, Zuckermann noch einmal zu berufen. Ganz gelegen kommt ihm das nicht. Er musste einige Zeit überlegen, als der Ingolstädter Kulturreferent Gabriel Engert ihn im Herbst vergangenen Jahres anrief und den Job anbot. Denn Zuckermann ist längst ein sehr gefragter Dirigent, seine Zeit für die neue Aufgabe in Ingolstadt ist eigentlich zu knapp bemessen. Deshalb wurde auch entschieden, dass er nur als Künstlerischer Leiter arbeitet für die kommenden zwei Jahre, nicht aber als Chefdirigent. So wird er nur selten in Ingolstadt anwesend sein können und lediglich vier Konzerte dirigieren. Allerdings wird er das Abonnement-Programm gestalten.

Dabei stimmt er sich eng mit dem scheidenden Chefdirigenten Ruben Gazarian ab, den er seit Jahren kennt und schätzt. Allzu viel will Zuckermann über die kommende Saison noch nicht verraten. Aber er will versuchen, namhafte Dirigenten und Solisten einzuladen. Was, wie er meint, nicht allzu schwer ist. "Ich höre immer wieder von Solisten, wie gerne sie mit diesem Orchester arbeiten, dass sie die Leidenschaft der Musiker schätzen, ihren Humor. "

Sein wichtigstes Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Abozahlen wieder nach oben zu treiben.

Dazu möchte er auch neue Wege beschreiten. So will er jedes Jahr zusammen mit dem Stadttheater Opern oder Musicals produzieren. Aber generell geht es ihm darum "eine Brücke zu bauen zwischen den Künsten". So erzählt er sehr lebendig, dass er im Herbst vergangenen Jahres ein Konzert mit dem Israel Chamber Orchestra zusammen mit einem weltberühmten Elektrokünstler, mit Shtuby, in einem Club veranstaltet hat. Eröffnet hat er das Konzert allerdings nicht mit Pop, sondern mit Mozarts "Jupiter-Sinfonie". 90 Prozent der rund 2000 Zuhörer hätten noch nie erlebt, dass bei einem Konzert mehr als vier oder fünf Musiker auf der Bühne standen, erzählt er. Und natürlich hätte auch bei der Sinfonie nicht alle im Publikum nur zugehört, sondern sie hätten sich auch unterhalten. "Aber das war doch zu Mozarts Zeiten auch nicht viel anders", gibt Zuckermann zu bedenken. Ein solches Clubkonzert kann er sich auch mit den Georgiern vorstellen.

Die Diskussionen um höhere Zuschüsse der Stadt und Gehälter für das Orchester hat Zuckermann nur am Rande mitbekommen. Das Gleiche gilt für den Wunsch, das Orchester zu einer Art Kammerphilharmonie personell zu erweitern. Zu diesen Themen will er nicht Stellung beziehen, bevor er überhaupt seine neue Position als Künstlerischer Leiter angetreten ist. Aber er ist sich sicher: Wenn erst die Zahl der Konzertbesucher wieder angestiegen ist, dann würden sich auch die finanziellen Probleme des Orchesters lösen lassen.

DK