Blumenkinder und Kinderbücher

Von Altmannstein in die ganze Welt: Das Stadtmuseum Ingolstadt widmet Lore Hummel eine Sonderschau

12.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:36 Uhr
  −Foto: Stadtmuseum Ingolstadt

Ingolstadt - Als Fleißbildchen wurden sie früher in der Grundschule verteilt: Kleine Kärtchen, auf denen wichteliges Waldleben tobte, Mäuse mit Fröschen tanzten und vorwitzige Käfer allerlei erlebten.

Dass die Illustratorin Lore Hummel hieß, wusste das Schulkind von damals natürlich nicht. Jetzt kann man die putzigen Fantasiegestalten wiederentdecken. Das Stadtmuseum Ingolstadt präsentiert unter dem Titel "Die Reise ins Kabumiland" die kleinen großen Welten der Künstlerin und Geschichtenerzählerin Lore Hummel aus Altmannstein. Der Titel zitiert übrigens eins ihrer Bilderbücher: "Ricki und Kiki in Kabumiland". Solange das Museum noch geschlossen ist, kann man sich online einen Einblick verschaffen. Wenn die Inzidenzwerte konstant unter 100 sind, dürfen Haus und Ausstellung für Publikum nach Voranmeldung und mit Hygienekonzept öffnen - jeweils zehn Besucher können sich dann gleichzeitig in den Sonderausstellungsräumen aufhalten.

Mehr als 100 Bücher für Kinder illustrierte und schrieb Lore Hummel, darunter Erzählungen, Märchen, Gebetbücher, Weihnachts- und Osterbücher und vor allem Wichtelgeschichten. Dazu entwarf sie tausende von Postkartenmotive für den Haering-Verlag in München und eine Reihe von Blumenkind-Porzellanfiguren für die Firma Goebel.

Die Porzellanfabrik hatte schon seit 1935 Hummel-Figuren im Programm. Allerdings beruhten diese auf Zeichnungen der Franziskanerschwester Maria Innocentia Hummel, die mit Lore trotz der Namensgleichheit nichts zu tun hat. Parallel dazu brachte Goebel nun die Lore-Figuren auf den Markt: filigrane Blumenkinder - in sieben Editionen ab 1966 insgesamt 58 Motive. Weil die Figuren aber sehr zart und Dekorationen wie Blütenblätter, Haarreif, Instrumente und Singvögel sehr empfindlich waren und leicht Schaden nehmen konnten, gab es häufig Klagen von Kunden, so dass die Produktion der Serie 1980 eingestellt wurde. Später gab es allerdings noch zwei weitere Serien in bäuerlicher und weihnachtlicher Optik - deutlich kleiner und auch robuster als die Blumenkinder.

All dies bildet die Ausstellung im Stadtmuseum nach, die Lore Hummels Enkel Kai Hummel und Richard Kürzinger als Nachlassverwalter zusammen mit den Verantwortlichen des Stadtmuseums erarbeitet haben. "Wir wollten vor allem zeigen, welche Bandbreite Lore Hummels Werk aufweist. Dass sie das Kommerzielle stets mit einem hohen künstlerischen Anspruch verband", erklärt Beatrix Schönwald, die Leiterin des Stadtmuseums. Und hebt die Fantasie der Künstlerin und die "Verletzlichkeit" und die "eigenartige Modernität ihrer Figuren" hervor.

Planungen zur Ausstellung gab es bereits vor Corona. Dann kam der Lockdown mit der Schließung des Hauses und irgendwann die Idee, die Bilder doch schon mal online zu zeigen. Unter kabumiland. de kommt man geradewegs auf die Website, die neben Ausstellungsansichten und Details aus dem titelgebenden Bilderbuch die vielgestaltige Schaffenskraft der Künstlerin demonstriert: feingliedrige Figürchen in pastelligen Farben, aufs Papier gebannte Zauberwelten, bekannte Protagonisten aus den Märchen der Gebrüder Grimm, aber auch rätselhafte Wassergeister, Feenwesen, romantische Helferlein. Dazu kommen Bewegungsstudien und Vorzeichnungen, die darauf verweisen, wie exakt die Bilder und Farbgebung komponiert wurden. Und: Es gibt Zeichnungen jenseits der bunten Kinder-Käfer-Wimmelwelt: Porträts in Schwarz-Weiß, ein gefiederter Flügel, eine Efeuranke.

Es ist auch eine Zeitreise, auf die man sich in der Ausstellung begibt. Erzählt sie über die Kinderbuchwelten doch viel von der Zeit der 50er, 60er, 70er Jahre, der Gesellschaft, den Rollenbildern, den Verhältnissen, in denen gelesen, geschaut, gespielt wurde. Und so finden sich auch Illustrationen von dunkelhäutigen Kindern, die zwischen Palmen und Krokodilen spielen. "Die wurden für den amerikanischen Markt produziert", erklärt Beatrix Schönewald. Aber natürlich müsse man sie heute im kolonialen Kontext betrachten. Auch das eine wichtige Aufgabe für die Museen.

Wer will, kann sich von Schauspielerin Giulia Arezzi das Bilderbuch von "Riki und Kiki im Kabumiland" vorlesen lassen. Marc Köschinger hat die Lesung im vierteiligen Videoformat aufbereitet. Auch für die analoge Ausstellung ist ein Vorleseprogramm für Kinder geplant, erklärt Beatrix Schönewald. Vermutlich an Sonntagnachmittagen und möglicherweise - wegen der strengen Corona-Auflagen - draußen auf der Wiese vor dem Museum.

Die Lore-Figuren aus Porzellan finden sich ganz hinten im größten Raum der Ausstellung: Auf zwei Regalen präsentieren die einen Blumenkinder mit Akkordeon oder Flöte ein ewig stummes Konzert, während die anderen mit roten Bäckchen im Spiel versunken scheinen. Daneben auf einer Stele Rohlinge in verschiedenen Größen.

Noch schützt kein Glas die kostbaren Schätze. Aber noch ist das Museum ja zu. Und die Ausstellungsmacher führen finale Arbeiten aus. Es sieht gut aus - für eine analoge Reise ins Kabumiland. Die Inzidenzwerte sinken. Und Beatrix Schönewald ist hoffnungsfroh: "Vielleicht können wir nach Pfingsten öffnen. "

DK


Stadtmuseum Ingolstadt, bis zum 17. Oktober, www. kabumiland. de.

Anja Witzke