Ingolstadt
Ausflug nach Chicago

Kai Strauss beim Ingolstädter Bluesfest

18.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:50 Uhr
"Einziger wahrer Blues": Kai Strauss in Ingolstadt. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Damit nach der konzeptuell bedingten stilistischen Öffnung des Ingolstädter Bluesfests der authentische, ursprüngliche Blues nicht zu kurz kommt, stehen an diesem Abend in der Neuen Welt der Gitarrist, Sänger und Komponist Kai Strauss und seine Electric Blues Allstars auf der Bühne.

Um den nach Meinung von Hardcore-Fans "einzig wahren Blues" zu hören, kann man seine Ohren natürlich auch in Richtung New Orleans, Memphis oder New York ausrichten. Aber eben auch nach Chicago, der Heimat dessen, was Strauss und seine Band ihrem Publikum servieren.

Fragt man in der europäischen Szene nach den fünf besten Gitarristen des Chicago Blues, fällt sein Name unweigerlich. Er hat seine Idole Buddy Guy, Albert King und Magic Slim quasi gleich nach der Muttermilch aufgesogen und bleibt auch nun, nachdem er hierzulande längst selber zu einem führenden Vertreter des Sounds der Windy City geworden ist, seinem Genre treu. Dennoch fügt er ihm seine persönliche Note hinzu. Die liegt in seiner Art, seine Gitarre zu bedienen. Er spielt etliche wunderschön konzipierte Soli an diesem Abend, wobei keines dem anderen auch nur annähernd gleicht. Nur eines haben sie gemeinsam: Sie sind schlichtweg brillant. Sein spontaner Einfallsreichtum, seine Kreativität aus dem Augenblick heraus scheint unerschöpflich. Angetrieben von einer druckvollen, herrlich groovenden Band mit Thomas Feldmann (Bluesharp, Tenorsaxofon), Kevin Duvernay (Bass), Alex Lex (Drums) und dem Keyboarder Nico Dreier - ansonsten in Diensten der "Bluesanovas" - lotet er seine Möglichkeiten nach Herzenslust aus, und das Publikum ist trotz dieser vermeintlich oft so oder zumindest so ähnlich gehörten Musik restlos begeistert.

Warum das so ist? Weil Blues nicht nur eine Angelegenheit für die Ohren oder, wenn der nötige Druck dahintersteckt, auch für die Magengrube ist, sondern vor allem Herzenssache. Bisweilen sind Fühlen, Spüren, emotionales Erleben wichtiger als das bloße Hören. Wenn eine Band wie die um Strauss sich der Sache des Blues annimmt, ist man gefühlsmäßig ganz nahe dran und mittendrin in der Materie, auch oder gerade weil es an diesem Abend eben nicht um ein hochkomplexes Werk oder ein außergewöhnliches Konzept geht, sondern im Grunde "nur" um theoretisch sattsam bekannten Chicago Blues.

"Blues is handmade and heartmade" singt Strauss schon in der Eröffnungsnummer und gibt damit die Devise aus für den ganzen Abend. Dieses Statement verliert er trotz aller solistischer Feinheiten nie aus dem Auge, das ist der Grund für seine Leidenschaft bei Songs wie "It's A Hard Life", "Did You Wrong" und dem "Highway Blues" und für die Energie, die den ganzen Abend über nicht abreißt oder auch nur eine Sekunde nachlässt. Was für ein wunderschöner kollektiver Ausflug nach Chicago mit dieser großartigen Band!

Karl Leitner